Lange musste Reisegast Bernhard Dieger auf die Reise nach Bolivien warten, im November 2023 war es endlich soweit. Ein Bericht über beeindruckende und auch unvorhergesehene Erlebnisse.
Gleich vorweg: Diese Reise hat jetzt mit uns zum ersten Mal wirklich stattgefunden, in den Jahren davor verhinderten politische Unruhen, Corona und andere unglückliche Umstände die Durchführung. Und auch in diesem Jahr musste das Programm der zweiten Hälfte durch einen kreativen „Plan B“ ersetzt werden. Trotzdem fanden sich wackere 16 Reisende – und bereut hat es niemand!
Unsere Reise begann holprig: Unser Flug von Madrid nach Santa Cruz de la Sierra mit der Fluggesellschaft Air Europa hatte ganze 4 Stunden Verspätung, wodurch wir den Anschlussflug nach Sucre verpassten. Jetzt war Improvisationskunst gefragt, aber WORLD INSIGHT hat das Problem mit Bravour gelöst: Alternativflug nach Cochabamba und von dort aus mit dem Bus nach Sucre. Nach 9 Stunden Fahrt kamen wir dort doch noch am selben Tag an. Gutes Training für das Sitzfleisch, denn 9-Stunden-Touren sollten noch einige folgen.
Halloween in Sucre und Höhenluft
Die Altstadt von Sucre ist wirklich schön, und lustig war’s auch noch: Es war nämlich Halloween, und abends wimmelte der Plaza de Armas von fröhlichen Zwergen in den gruseligsten Verkleidungen. Von Sucre ging es über Potosi, wo wir schon mal Höhenluft (und viel Dieselqualm) schnuppern konnten, nach Uyuni. Das Timing unserer Ankunft dort hätte präziser nicht sein können: Nur eine Viertelstunde später und wir hätten den legendären Eisenbahnfriedhof nicht mehr im letzten Sonnenlicht fotografieren können. Aber wir kamen genau richtig, um grandiose Bilder von den rostigen Ungetümen zu machen.
Am nächsten Morgen startete unsere Tour mit vier Toyota Landcruisers in den tiefen Süden des bolivianischen Altiplano. Im Nationalpark Eduardo Avaroa nahmen wir unser erstes Quartier. Tagsüber ist es auf dem Altiplano angenehm warm, aber nachts wird es ziemlich kalt. Trotzdem haben wir eigene Schlafsäcke nicht gebraucht: Jeder hatte drei dicke Decken auf dem Bett – schwer, aber ausreichend warm. Die Höhe – über 4000 Meter – hat wohl einigen zu schaffen gemacht, aber unsere Reiseleiterin Lourdes hatte für die schweren Fälle die passenden Pillen bereit und für die meisten von uns reichte eine gute Tasse Mate de Coca. Der höchste Punkt unserer Reise lag bei immerhin 4930 Metern …
Naturwunder und Höhenunterschiede
Die nächsten Tage galten den großen Naturwundern dieser Gegend – Fumarolen-Felder, bizarre Felsformationen, die Laguna Colorada mit ihren zahllosen Flamingos und natürlich der Salar de Uyuni. Für einige, auch für mich, war allein dieser Ort schon die Reise wert und keiner wurde enttäuscht. Wir verbrachten dort einen ganzen Tag bei bestem Wetter und mit einem Glas Rotwein in der Hand konnten wir der Sonne beim Untergehen zusehen.
Nach einer weiteren 9-Stunden-Tour im Nachtbus kamen wir frühmorgens in La Paz an. Eine Stadt, in der die Wohlhabenden auf 2800 Metern und die Ärmeren auf 4100 Metern Höhe wohnen. 1300 Meter Höhenunterschied in einer einzigen Stadt ist schon extrem. Dem wird unter anderem durch ein Netz von 11 Seilbahnlinien entgegengewirkt, die nicht nur den Bewohnern der Höhenlagen eine bequeme und staufreie Fahrt in die tiefergelegenen Geschäftsviertel ermöglichen, sondern auch den Touristen komfortable Sightseeing-Touren mit bestem Überblick über den Moloch La Paz.
In die mythische Wiege des Inkareiches
Mit unserem neuen Reiseleiter Rodrigo ging es dann in Richtung Titicacasee. In Copacabana – dem echten, dem wirklichen Namensgeber für das bekannte Viertel von Rio – hatten wir wieder Glück: Es war Wochenende und vor der berühmten Basilika des Ortes wurden neu erworbene Autos gesegnet. Dazu jede Menge Herren im Sonntagsstaat und herausgeputzte Damen mit Bowlerhüten und weiten Röcken.
Per Boot ging es von dort auf die Isla del Sol, die mythische Wiege des Inkareiches. Hier konnten wir dann einmal richtig wandern, durchaus anstrengend, aber in schöner Landschaft. Unser Gepäck wurde Gott sei Dank von Maultieren transportiert. Mit Pachamama (Mutter Erde) haben wir uns auch gut gestellt – dafür hat der Dorfschamane mit einer speziellen Zeremonie gesorgt.
Die Rückreise nach La Paz wurde zum Abenteuer, denn das Stadtzentrum war inzwischen von militanten Bergarbeitern in Beschlag genommen worden, die mit Straßenblockaden ihre Forderungen durchsetzen wollten. Den überragenden Fahrkünsten unseres Busfahrers Gonzalo war es zu verdanken, dass wir trotzdem unser Hotel im Zentrum erreichten. Dort erwartete uns unser dritter Reiseleiter Christian, der schon zu Beginn unserer Reise das Kunststück fertiggebracht hatte, uns nach Sucre zu schaffen. Nun trat „Plan B“ in Kraft.
Der „Plan B“ Reiseverlauf
Am nächsten Tag ging es von 4600 Metern Höhe abwärts in die Yungas und zwar mit Jeeps über den berüchtigten Camino de la Muerte. Der ist nicht mehr so tödlich wie früher, weil er nicht mehr von Bussen und Lastwagen, sondern nur noch von Jeeps und Mountainbikern befahren wird. Aber eindrucksvoll ist er immer noch. Nach dem interessanten Besuch einer Kaffeeplantage und einer Übernachtung in Coroico, landeten wir in Rurrenabaque am Ufer des Río Beni. Und fanden uns wieder im tropischen Tiefland bei gemessenen 38 °C und gefühlten 42 °C im Schatten. Nach frischen Temperaturen im Hochland nun eine wahre Hitze …
Das Quartier im Nationalpark Madidi war recht gut in Schuss, echte Dschungelcamp-Erfahrung gab es erst später in Las Pampas. Hier merkte man schon, dass die Corona-Zeit tiefe Spuren in der bolivianischen Tourismusindustrie hinterlassen hat. Aber unser Reiseleiter Christian und die Crew von Jeep-Fahrern, Bootsführern und Köchinnen haben sich alle Mühe gegeben, den Laden am Laufen zu halten. Die einzige Steckerleiste im Haupthaus war abends, wenn der Generator lief, dicht umlagert: Dicke Powerbanks sind sehr zu empfehlen.
Tierische Highlights
In Las Pampas kamen die Tierfotografen voll auf ihre Kosten: Auf den Bootstouren gab es kleine und große Kaimane, Schildkröten, jede Menge Capybaras und sogar rosa Flussdelphine zu sehen.
Dazu allerlei Vögel in den Bäumen. Ein Highlight war eine Affenbande, für die es beim Anblick von ein paar Bananen, die der Bootsführer dabei hatte, kein Halten mehr gab: Über unsere Knie, unsere Schultern und Köpfe hinweg, rasten die Tierchen ins Bootsheck und lieferten sich eine Schlacht ums kalte Buffet. Einige von uns machten sich diesen Spaß am nächsten Morgen noch einmal. Die anderen suchten auf einer Wanderung vergeblich die Anakonda, fanden aber wenigstens ein paar Brüllaffen.
Nach einer Nacht in „Rurre“ ging es – zur Erinnerung: 9 Stunden – nach Trinidad, welches das Sprungbrett für den Flug via Cochabamba nach Santa Cruz war – unserer letzten Station. Auf dieser Fahrt wartete aber noch eine schöne Überraschung auf uns: Das perfekt erhaltene Kolonialstädtchen San Ignacio de Moxos mit vielen alten einstöckigen Häusern, umringt von Kolonnaden und einer in Bauart und Erhaltungszustand einzigartigen Jesuiten-Reduktion.
In Santa Cruz ließen wir diese tolle Reise in einem guten Restaurant und bei einem Pisco Sour ausklingen. Und nachdem wir bei der Anreise etwas Pech hatten, war uns bei der Heimreise das Glück hold: Wir kamen pünktlich in Frankfurt an – und zwar gegen 10:00 Uhr morgens, der Streik der Lokführer begann erst gegen 22:00 Uhr abends!