Unsere Reisende Birgit hatte trotz Corona-Pandemie im Juli vergangenen Jahres das Glück, auf einer unserer Island-Touren dabei zu sein. Eine Reise, auf der sie kaum Touristen begegnete und die ein großes Abenteuer wurde.
Am 26. Juli 2020 fliegen wir nach Island. Zu Hause haben wir uns noch mit warmen Schlafsäcken und guter Regenkleidung ausgestattet und sind nun gespannt auf die Reise, bei der wir 9 Nächte im Zelt verbringen werden. Leider sehen wir beim Landeanflug nichts, denn eine dicke Wolkenschicht liegt über Island. Unser erster Eindruck, als wir endlich aus den Wolken kommen, ist der einer Mondlandschaft. Kein Baum, kein Strauch, nur schwarzes Gestein. Beim kurzen Spaziergang am Abend bläst uns ein eisiger Wind um die Ohren. Nachdem wir bei 35°C in Deutschland gestartet sind kommen uns die 12°C auf Island ziemlich kalt vor.
Den ersten Tag beginnen wir mit der Besichtigung von Reykjavik. Eine Fußgängerzone in der Altstadt lädt zum Bummeln ein. Es gibt Islandpullover und warme Wollsachen zu kaufen und wir können den schönen Mützen nicht widerstehen. Da immer noch der eisige Wind weht, setzen wir sie sofort auf. Wir verlassen die Stadt und die Landschaft wird menschenleer. Auf den kargen, baumlosen Wiesen grasen Islandpferde und Schafe, die in kleinen Gruppen von zwei oder drei Tieren zusammenstehen.
Das Wetter ändert sich und so wandern wir bei herrlichem Sonnenschein zum Glymur-Wasserfall. Am Wegesrand blühen Lupinen und Wollgras und wir haben immer einen wunderschönen Blick über die weite Landschaft und auf das Meer. Nun wird uns sogar hier auf Island warm. Über einen Baumstamm balancierend überqueren wir den Fluss und nach einem kurzen, aber steilen Anstieg, sehen wir den höchsten Wasserfall Islands, dessen Wassernebel in allen Regenbogenfarben schillert. Auf einem idyllischen Campingplatz bauen wir zum ersten Mal gemeinsam das Gruppen- und das Kochzelt auf. Während wir unsere Iglus aufstellen, beginnt Christopher, unser Reiseleiter, mit dem Kochen. Die Sonne scheint immer noch und wir genießen draußen auf Holzbänken mit wunderschönem Ausblick auf die Landschaft unser Abendessen. Bald kriechen wir in unsere Zelte, denn die Nacht wird kalt.
Am Morgen packt Christopher ein üppiges Frühstück aus seiner Vorratskiste. Brot, Marmelade, Nutella, Käse, Wurst, verschiedene Müsli, Skyr und Äpfel. Dazu einen Kaffee oder Tee und wir sind bestens gerüstet für den Tag. Gemeinsam schlagen wir die Zelte ab und es geht weiter zur Halbinsel Snaefells. Wir fahren durch eine nahezu unwirkliche Landschaft aus schwarzen Lavafeldern und Vulkankegeln. Es hat geregnet und Nebelschwaden hängen über den Lavabrocken. Es sieht aus, als ob die Erde dampft. Da der Vulkan, auf den wir eine Wanderung machen wollten, in den Wolken liegt, wandern wir stattdessen an der wunderschönen Küste entlang. Basaltsäulen stehen wie Orgelpfeifen nebeneinander. Nur Flechten, Moos und zarte Blumen wachsen auf der schwarzen Lava. Wind und Wasser haben aus dem Gestein die seltsamsten Formen gebildet. Hier versteht man, warum Isländer an Trolle und Elfen glauben.
Wir fahren weiter in den Norden Islands. Es geht durch menschenleere Täler, in denen ab und zu ein einsamer Hof oder eine kleine Kirche stehen. An der Küste beobachten wir Robben, sehen faszinierende Basaltformationen und schwarze Strände. Beim Besuch einer historischen Torfkirche und einem Gehöft wird uns klar, warum die Kirchen heute aus Beton sind. Lavagestein eignet sich nicht als Baumaterial und Bäume gibt es nicht auf Island. Das einzige Holz, das damals zum Bauen verwendet werden konnte, war angeschwemmtes Treibholz aus Sibirien.
Im Norden übernachten wir in einem Gästehaus. Unser Zimmer ist schön, zum Duschen müssen wir allerdings in den Keller. Wir sind überrascht, als wir auf dem Weg dorthin zuerst in der Küche stehen. Dort bereiten unsere Gastgeber gerade den frischen Fisch für uns zu. Nach den Nächten auf dem Campingplatz freuen wir uns auf eine warme Dusche im Haus, doch das dort schwefelhaltige Geothermie-Wasser hat etwas Eigengeruch. So ist der Genuss leider etwas getrübt.
Auf der gut asphaltierten Ringstraße fahren wir über die Nordfjorde weiter Richtung Akureyri. Die Einsamkeit und Weite der Landschaft ist faszinierend. Wir haben herrliches Wetter und genießen die Aussicht auf die Küste und die schneebedeckten Berge. An der nördlichsten Stelle unserer Reise zieht über dem Meer Nebel auf und das Wetter schlägt um. In Akureyri, der zweitgrößten Stadt Islands, und am nahegelegenen Godafoss, einem der großen Wasserfälle Islands, regnet es in Strömen und ein eisiger Wind weht. Ein schnelles Foto, dann packen wir die Kamera sicherheitshalber wieder ein. Gut, dass wir uns gute Regenhosen und -Jacken besorgt hatten.
Das Geothermal-Kraftwerk Krafla können wir aufgrund aktueller Corona-Einschränkungen leider nicht besichtigen, aber unsere Wanderung um den Vulkankrater des Krafla und über das Solfataren Feld Namaskard lässt uns die ungeheure Energie, die in der Erde schlummert deutlich erkennen. Es brodelt, zischt, kocht und stinkt überall nach Schwefel wie in Teufels Küche. Riesige Lavaströme, je schwärzer umso frischer, ziehen sich den Berg hinunter. Hier sieht es aus als wäre die Erde gerade erst entstanden.
In den folgenden drei Nächten zelten wir am Mývatn, dem Mückensee. Der macht seinem Namen alle Ehre. Die Mückenschwärme sind wirklich lästig, aber zum Glück stechen die Mücken nicht. Der nächste Tag verspricht trocken und kalt zu werden und so fahren wir am frühen Morgen auf die Hochlandpiste in die „Missetäterwüste“. Die erste große Fahrt durch einen breiten Fluss ist für uns ein spannendes Erlebnis. Auf Tafeln wird die beste Strecke empfohlen und es wird ganz still im Bus als Jörn, unser Fahrer, durch den Fluss fährt. Nicht zu langsam, damit man nicht stecken bleibt, aber auch nicht zu schnell, damit sich keine hohe Bugwelle aufbaut. Wir kommen gut hindurch, nur am Trittbrett dringt etwas Wasser in den Bus, und alle sind begeistert. Unterwegs sehen wir Vulkankegel und endlose Lavaströme. Manchmal liegt auf der schwarzen Lava heller Bimsstein. Es sieht aus wie auf dem Mond.
Wir wandern zu der eindrucksvollen Caldera der Askia. Die zwei Kraterseen, das rote und schwarze Lavagestein auf dem immer wieder weiße Schneefelder liegen sind ein beeindruckendes und unvergessliches Bild. Es ist 6°C kalt, wieder bläst ein eisiger Wind und wir brauchen unsere dicksten Jacken und Mützen. Als Vesper hat Christopher dieses Mal etwas Besonderes dabei: Moosbrot, Smör (Butter) und geräucherte Forelle – lecker. Einen Abend verbringen wir im Mývatn-Nature-Bath. Stundenlang sitzen wir bei einer Außentemperatur von 12°C gemütlich im 36°C warmen Wasser, genießen den Blick auf den See und die Vulkane und holen uns an der Bar direkt am Beckenrand ein Bier.
Nach zwei Tagen nehmen wir Abschied von unserem Campingplatz am See. Nach einem kurzen Stopp am Wasserfall Godafoss, diesmal ohne Regen, fahren wir quer über das Hochland Richtung Süden. Das bedeutet 500 km Schotter- und Waschbrettpiste, grenzenlose Einsamkeit, rauschende Wasserfälle, Gletscher und schwarze Mondlandschaft. Als wir mitten auf dem Hochland unser Camp aufschlagen ist es bitterkalt. Ruckzuck sind die Zelte aufgestellt. Unsere Handtücher sind vom Tag zuvor noch ziemlich nass. Doch wo hängen wir die Wäscheleine auf, wenn es weder Baum noch Strauch gibt? Wir finden eine Lösung und bald flattern zwischen den großen Zelten die Handtücher im Wind. Heute essen wir in der Berghütte. Allerdings müssen wir das Geschirr draußen mit kaltem Wasser abwaschen. Keine angenehme Aufgabe bei eisigem Wind. Damit uns wärmer wird, macht Christopher im Gruppenzelt mit dem großen Gasbrenner Wasser heiß und bald sitzen wir gemütlich im jetzt warmen Zelt und es wird ein lustiger Abend an dem der heiße Tee mit Rum einen großen Anteil hat.
Noch einen weiteren Tag fahren wir übers Hochland, immer wieder mit Blick auf riesige Gletscher, bis wir im Süden unseren nächsten Campingplatz in Landmannerhellier erreichen. Wir durchqueren noch einen Fluss und erreichen das wunderschönene, einsame Tal. Dort wollen wir noch zwei Mal im Zelt übernachten, denn anschließend sind wir in Gästehäusern untergebracht. Auf einer grünen Wiese stellen wir unsere Zelte auf. Eine Gruppe junger Reiterinnen kommt im Tölt, der speziellen Gangart der Islandpferde, den Weg entlag geritten. Kurz danach kommen mindestens 30 Pferde fröhlich ohne Reiter im Galopp herangeprescht. Es ist ein wunderbares Bild.
Für die Nacht ist starker Wind und Regen angesagt und wir verspannen unsere Zelte gut. Es beginnt zu regnen und ein Sturm entwickelt sich, der immer stärker wird. Mitten in der Nacht, es ist zum ersten Mal stockdunkel, sind die Windböen so stark, dass die Zeltwand unseres Iglus immer wieder auf uns heruntergedückt wird. An Schlaf ist nicht mehr zu denken. Wir hören, dass draußen der Bus heranfährt. Der Sturm hat unser Gemeinschaftszelt umgerissen und Christopher und Jörn versuchen unsere Stühle und das Zelt bei strömenden Regen in den Hänger zu packen. Kurz darauf, es ist 3 Uhr in der Nacht, heißt es: „alle raus aus den Zelten, wir ziehen in eine Blockhütte“. Isländische Ranger sind gekommen und geben den Befehl zum Abbruch. Sie befürchten, der Sturm wird noch schlimmer und der Fluss tritt über die Ufer.
Schnell packen wir unsere Schlafsäcke ein, dann kriechen wir aus dem Zelt und rennen durch den Regen zum Bus. Wir lassen die Zelte stehen und suchen mit dem Bus die Hütte. Bei strömendem Regen und fast ohne Sicht kein leichtes Unterfangen. In unserer Hütte gibt es ein Matratzenlager mit genug Platz für alle, zum Glück eine Toilette, Tische, Stühle und eine kleine Gasheizung. Allerdings gibt es keinen Strom und so hat die Campingplatzbesitzerin überall Teelichter angezündet. Wir sind froh im Trockenen zu sein. Christopher, Jörn und die zwei jungen Männer aus unserer Gruppe fahren wieder zu den Zelten und mit Hilfe der Ranger bauen sie, so gut es geht, die Zelte ab und legen sie in eine Scheune. Wir anderen sitzen bei Kerzenschein in der Hütte, hellwach durch das Erlebte, bei der immer wieder die Wände wackeln, wenn uns eine Windböe erwischt und machen uns etwas Sorgen um die, die noch draußen sind. Als endlich alle in der Hütte und in Sicherheit sind, versuchen wir noch etwas zu schlafen.
Bei einigen Zelten sind die Stangen gebrochen, die geplante Wanderung können wir nicht mehr machen, weil das ganze Gebiet gesperrt ist und auch die Weiterfahrt auf der Hochlandpiste ist nicht mehr möglich aufgrund von Hochwasser. Deshalb muss schnellstens eine Unterkunft gesucht und ein Ersatzplan gemacht werden. Da es in dem Tal keinen Handyempfang gibt, müssen Christoper und Jörn 20 Minuten rausfahren, ehe sie die Kollegen von WORLD INSIGHT kontaktieren können. Bis die zwei zurück kommen, machen wir in unserer Hütte Wasser heiß und schauen nach, was wir zum Frühstück in unserem Hänger finden. Ein junges Paar, das ebenfalls in unserer Hütte Schutz gefunden hat, steuert auch etwas dazu und so frühstücken wir gemeinsam und erzählen uns unsere Erlebnisse von der vergangenen Nacht.
Als wir nach dem Frühstück unsere Zelte entwirren und zusammenlegen, sehen wir die zerlegten Zelte einer anderen Gruppe. Zum Abbau hat es dort nicht mehr gereicht und so liegen die Zelte immer noch auf der Wiese. Sie standen näher am Fluss und deshalb viel schneller unter Wasser. Nur die Pferde, die die ganze Nacht draußen im Sturm zugebracht haben, fressen friedlich ihr Heu als wäre nie etwas gewesen. Die Sonne kommt heraus und so zeigt sich Landmannerhellier noch einmal von seiner schönsten Seite.
Wir wollen auf kürzestem Weg wieder eine asphaltierte Straße erreichen. Doch zunächst müssen wir wieder den Fluss durchqueren. Jetzt ist selbst Jörn angespannt. Der Fluss war schon bei der Herfahrt 60 cm tief und jetzt führt er noch mehr Wasser. Doch mit all seiner Routine bringt er uns sicher ans andere Ufer. Wir entspannen uns gerade, als Jörn ruckartig hält und wir schauen ungläubig einem Reifen nach, der an unserem Bus vorbei die Piste entlang rollt. Die Achse unseres Hängers ist gebrochen. 600 km Schotter- und Waschbrettpiste waren doch zu viel. Wir müssen umpacken, denn unser Gepäck muss in den Bus, der Rest bleibt in dem Hänger. Mit vereinten Kräften schieben wir den Hänger neben die Piste, damit er in den nächsten Tagen abgeholt werden kann.
In einem Hotel an der Südküste feiern wir beim gemeinsamen Abendessen glücklich die überstandene Nacht im Sturm und es wird ein ziemlich feucht-fröhlicher Abend. Christopher und Jörn haben ein tolles Ersatzprogramm ausgearbeitet und so fahren wir am nächsten Tag zu einer Gletscherlagune, in der eine Gletscherzunge des größten Gletschers Islands Vatnajökul endet. Riesige, blau schimmernde Eisblöcke schwimmen von dort aus direkt ins Meer und werden am schwarzen Lavastrand wieder angeschwemmt. Es ist ein unvergesslicher Anblick.
Die Südküste ist wieder grüner und touristisch wesentlich besser erschlossen. Es gibt unzählige Wasserfälle und sogar kleine Wäldchen mit Birken. Dort machen wir noch einige wunderschöne Wanderungen. Wegen Corona gibt es nur wenige Touristen an den Highlights im Süden von Island und so können wir in Ruhe das spektakuläre Naturschauspiel genießen, wenn alle paar Minuten der Geysir das Wasser in den Himmel schießen lässt. Natürlich dürfen zum Schluss der mächtige Gulfoss-Wasserfall und die Kontinentalspalte nicht fehlen. Wir übernachten noch in zwei wunderschönen Gästehäusern, bevor es wieder zurück nach Reykjavik geht.
Unsere erlebnisreiche Reise ist zu Ende. Sie wird mir vor allem wegen der vielen Übernachtungen im Zelt unvergesslich bleiben, denn so erlebten wir die wilde und raue Natur Islands hautnah und sehr intensiv. Wir hatten viel Spaß dabei, gemeinsam die Zelte aufzustellen wieder abzubauen und die gemütlichen Abende im Gemeinschaftszelt, in der Mitte der wärmende Gasbrenner und ein Tee mit Rum, waren oft der schöne Abschluss eines erlebnisreichen Tages. Unsere fröhliche und flexible Gruppe hat gemeinsam alle Situationen, auch die in der Sturmnacht, gemeistert. Durch das Wetter mussten wir immer wieder unsere Reisepläne ändern, doch Christopher und Jörn, die ein tolles Team waren, fanden jedes Mal einen gleichwertigen Ersatz. Es gibt in Island genug Naturwunder, die sich absolut lohnen gesehen zu werden.