Der Inle-See in Myanmar birgt schwimmende Gärten und ungewöhnliche Geschichten: Wir bekommen Einblick in den Alltag eines Einbeinfischers und treffen im Kloster auf Katzen, die durch Reifen springen.
Myanmar ist eines dieser Reiseziele, dessen Schätze lange Zeit weitgehend unentdeckt blieben. Mittlerweile erfreut sich das zweitgrößte Land Südostasiens wachsender Beliebtheit. Nicht ohne Grund: Schließlich gibt es eine komplett mit Gold überzogene Pagode in Yangon und das gigantische Tempelfeld von Bagan zu entdecken. Wer im „goldenen Land“ außergewöhnliche Geschichten sucht, der wird jedoch am Inle-See fündig!
Inle-See: Einbeinfischer und schwimmende Gärten
Die Grenzen des Inle-Sees sind nur schwer zu fassen, vielmehr scheint er fließend in das herrliche Bergpanorama, die saftig grünen Reis- und Zuckerrohrfelder und die kleinen ursprünglichen Dörfer überzugehen. Eine dieser außergewöhnlichen Geschichten ist die des Intha-Volkes, das mitten auf dem See in Pfahlhäusern lebt.
Mit ihren schmalen Booten erreichen sie bequem ihre dicht an dicht angelegten schwimmenden Gärten. Dort bauen sie Gemüse (z.B. Tomaten und Blumenkohl) sowie Früchte und Blumen auf einer Matte aus Sumpf, Erde und Wasserhyazinthen an, die am Boden des Sees mit Pfählen aus Bambus befestigt wird.
Berühmt sind die Intha vor allem aufgrund ihrer außergewöhnlichen Paddel- und Fischfangtechnik, die ihnen den Namen „Einbeinfischer“ einbrachte: Um beide Hände für die Reuse zum Fischfang frei zu haben, rudern die Fischer mit einem um das Ruder geschlungenen Bein. Das gelingt ihnen dank einer schraubenartigen Ruderbewegung – absolut einzigartig!
Hintergrund: Reiseleiter Soe Nyunt Aung erzählt aus dem Leben eines Einbeinfischers
WORLD INSIGHT-Reiseleiter Soe Nyunt Aung arbeitet schon seit vielen Jahren als deutschsprachiger Reiseleiter in Myanmar und besucht oft den Inle-See. Auf diese Weise hat er den Einbeinfischer Ko Lone kennengelernt, mit dem er heute gut befreundet ist. Für uns schildert Soe den Alltag seines Freundes:
“Immer wenn ich mit den Reisegruppen auf den Inle-See hinausfahre, bin ich wieder aufs Neue erstaunt von der atemberaubenden Szenerie mit den Berggipfeln, die sich mal vom tiefblauen Himmel abheben und mal vom Nebel verschluckt werden.
Wir treffen Ko Lone, nachdem wir etwa zwei Kilometer mit dem Boot zurückgelegt haben. Ich frage ihn zunächst nach seinen Einnahmen, da er auch auf Trinkgeld von uns angewiesen ist. Für uns demonstriert er die Technik des Einbeinruderns und erklärt mir Details, die ich für die Reisegruppe übersetze.
Es gibt da nämlich noch einen zweiten Grund neben der Armfreiheit für die ungewöhnliche Art des Fischens: Wenn man im Sitzen das Boot fortbewegt, lassen sich die Wege durch die schwimmenden Felder nicht erkennen. Deshalb müssen die Fischer aufrecht auf dem Boot stehen, um einen besseren Überblick zu haben. Außerdem gibt es noch Unterschiede in der Art und Weise des Fischens, so kann zum Beispiel auch ein Bambuskorb zum Einsatz kommen.
Wenn das Wasser still ist und man bis auf den Grund schauen kann, wird der Bambuskorb mit der breiten Öffnung ins Wasser gelassen und von oben mit dem Speer im Korb gerührt, um die Fische hereinzulocken. Mit einer Schnur am Fischernetz lässt sich dann die Öffnung des Korbs schließen und mit Glück liegen ein paar Fische darin.
Etwas effektiver ist eine andere Technik: Man befestigt Bambusstangen im Seegrund und bindet das Fischernetz mit einer Schnur an den Bambus, sodass sich beim Fahren das Netz langsam entfaltet. Bis zu 50 m weit kann diese Konstruktion reichen. Um die Fische ins Netz treiben, schlagen die Fischer mit dem Ruder auf die Wasseroberfläche.
Weil die Lebenskosten steigen, erzählt mir Ko Lone, arbeiten die meisten Fischer auch noch in den schwimmenden Gärten als Tagelöhner. Nicht nur er selbst, sondern auch seine Frau und die erwachsenen Kinder müssen zum Tageseinkommen beitragen.”
Die Handwerkskunst der Intha
Einmal in der Woche laden die Intha zu Märkten am Flussufer ein, wo all die Dinge angeboten werden, die der See und die schwimmenden Gärten hergeben. Die dicken, würzig schmeckenden Cheroot-Zigarren eignen sich hervorragend als Mitbringsel. Der Tabak wird aus den Blättern und dem Holz der Cheroot-Bäume gewonnen. Ein Geheimtipp ist der Besuch einer Fabrik zur Herstellung dieser ungewöhnlichen Zigarren, die mit unglaublichem Geschick gedreht werden.
Interessant ist auch, was sich nicht auf den Märkten findet: Die in ganz Myanmar geschätzten Stoffe aus den Fasern der Lotospflanze sind so teuer, dass sie gar nicht erst auf den lokalen Märkten angeboten werden. Auch hier lohnt sich ein Besuch einer Webstätte der traditionellen Lotosweberei – natürlich in Pfahlhäusern auf dem See.
Lichterfest und springende Katzen
Wer auf dem Inle-See unterwegs ist, der entdeckt auch die golden glänzende Paungdaw Oo-Pagode am Ufer. Die im 18. Jahrhundert errichtete Pagode ist noch sehr gut erhalten und kaum zu übersehen. Besonders empfehlenswert ist ein Besuch Ende September bis Anfang Oktober, dann findet hier nämlich das Lichterfest statt: Zahlreiche Kerzen und Laternen erzeugen eine mystische Atmosphäre, Tänze werden aufgeführt und die Einbeinfischer veranstalten ein Wettrennen.
Ein Festzug aus geschmückten Booten folgt einer königlichen Barke mit vier der fünf heiligen Buddhafiguren aus der Paungdaw Oo-Pagode an Bord über den See. Die vergoldete Barke, die dem mythischen Göttervogel Karaweik nachempfunden ist, macht im Rahmen der „Großen Prozession“ an jedem Dorfufer Halt.
Außergewöhnlich ist auch das Nga Phe Kyaung-Kloster. Das älteste Kloster am Inle-See wird gerne „Monastery of the jumping cat“ genannt. Warum? Weil hier Katzen durch Reifen springen! Die dort lebenden Mönche haben den Katzen dieses Verhalten antrainiert. Mit etwas Glück wird man Zeuge dieses Schauspiels, doch gezwungen wird hier keines der Tiere und so sind auch vermehrt in der Sonne dösende Katzen zu entdecken. Doch auch ohne springende Katzen ist das Kloster einen Besuch wert: Dicke, rot angemalte Teak-Stämme tragen das Dach und eine Reihe goldener Buddhafiguren lässt sich bestaunen.
Die Mönche sind zudem sehr gesprächig und laden ihre Besucher gerne zu einer Tasse Tee ein. Keine Frage, dass sich bei all den spannenden Geschichten, die der Inle-See zu erzählen hat, ein mehrtägiger Aufenthalt lohnt. Übernachtet wird natürlich standesgemäß in Pfahlhäusern auf dem See, so wie das Volk der Intha.