Warum ist Ökotourismus eine Revolution und Costa Rica ein Pionier? Recherchen führen zurück in die Kreidezeit und die 60er-Jahre. Country Manager Daniel Küng gibt Einblicke in praktizierte Nachhaltigkeit in Costa Rica.
Immer wieder höre ich vom Ökotourismus. Vor allem von Costa Rica, den echten Pionieren. Doch was steckt dahinter? Eine Revolution im Tourismus? Und wenn ja, wie funktioniert Ökotourismus in der Praxis? Eine Suche nach Antworten. Ob WORLD INSIGHT-Reiseleiter Ahmed, der von Costa Rica als Vorbild für Marokko in Sachen nachhaltiges Reisen schwärmt, oder Daniel Küng, WORLD INSIGHT-Country Manager in Costa Rica, der mir stolz von einer Rezertifizierung seiner Reiseagentur mit höchstmöglichem Niveau berichtet: Ökotourismus ist in aller Munde.
Die Natur als Geschenk
Die Geschichte mag bereits vor Millionen von Jahren in der Kreidezeit anfangen, als sich die Cocos-Platte unter die Karibische Platte schob und dabei eine Kette von Vulkaninseln bildete. Bald schon sollten sich diese tektonisch aufgeworfenen Inseln durch die langsame Anhebung des Meeresbodens zu einem zusammenhängenden Land verbinden: Die Geburt Costa Ricas war gleichzeitig die Geburt einer einzigartigen Flora und Fauna mit üppigen Regen- und Nebelwäldern, bevölkert von bunten Vögeln, lärmenden Affen und lethargischen Faultieren. Und als wäre das nicht schon Geschenk genug, ragt aus alldem auch noch die perfekte Kegelform des Arenal-Vulkans hervor.
Um eine Geschichte von Costa Rica als Pionier zu erzählen, machen wir aber einen Sprung in die 1960er-Jahre: Während in Europa fleißig in Hochhäuser, Autobahnen und immer größere Fabriken investiert wurde, richtete Costa Rica zahlreiche Nationalparks ein und schreckte nicht davor zurück, private Landbesitzer gegen finanzielle Entschädigung zu enteignen. Die Menschen in Costa Rica beschlossen das Geschenk, das ihnen vor Millionen von Jahren in der Kreidezeit gemacht wurde, zu beschützen. Parkwächter wurden angestellt, um gegen illegalen Holzschlag und Jagd vorzugehen, Zäune und Eingangstore wurden gebaut, um den Zugang zu schützenswerten Gebieten zu kontrollieren. Im Vergleich zu anderen Ländern Mittel- und Südamerikas leistete Costa Rica echte Pionierarbeit, was die Einrichtung von Nationalparks angeht, so dass wir im Jahr 2015 beachtliche 25 % des Landes als Naturschutzgebiet vorfinden und weitere 10 % als privat geschützte Reservate – weltweit der höchste Schutzanteil!
Der Beginn des Ökotourismus
Der Schutz der Natur ist mit hohen Kosten verbunden, die für ein wirtschaftlich schwächeres Land nicht einfach aufzubringen sind. Schon bald musste eine Lösung her. Während in den 80er-Jahren das Waldsterben in Europa auf dramatische Weise ein Umdenken erzwang, begann Costa Rica damit, Besucher gegen Eintritt die unberührte Natur erleben zu lassen und bot damit eine neue Alternative zur herkömmlichen Form des Tourismus – den Ökotourismus. Damit traf das Land den Nerv der Zeit. Das Waldsterben hatte Umweltverschmutzung und gnadenlose Ausbeutung natürlicher Ressourcen greifbar gemacht. Die Erkenntnis, dass abgeholzte Bäume und verschmutzte Luft in die Sackgasse führen, bahnte sich langsam ihren Weg in die Mitte einer reisefreudigen Gesellschaft. Unberührte Natur wurde Costa Ricas Markenzeichen und lockt seitdem Reisende, die noch eine intakte Wildnis suchen. Durch den Ökotourismus können nun aus den Nationalparks Erlöse erwirtschaftet werden, ohne dass auch nur ein Baum der Kettensäge zum Opfer fällt. Costa Rica wurde schon zum wiederholten Mal Pionier.
Man könnte durchaus von einer Revolution im Tourismus sprechen, wohlwissend, dass jede Revolution einmal vor dem Scheitern stehen kann. Denn schon bald merkten findige Unternehmer, dass sich mit dem Label „Öko“ gute Werbung machen lässt: Unter ernstgemeinte nachhaltige Tourismusprojekte mischten sich immer mehr primär gewinnorientierte Produkte, die sich mit dem Prädikat „Öko“ grün wuschen. Etwas, das bei umweltbewussten Besuchern gar nicht gut ankommt, ist doch gerade diese Zielgruppe besonders kritisch eingestellt. Mitte der 90er-Jahre stand dadurch der gute Ruf Costa Ricas auf dem Spiel. Gleichzeitig wurde den touristischen Akteuren klar, dass die stark steigenden Gästezahlen auf lange Sicht und ohne korrigierende Maßnahmen den Ökotourismus endgültig zerstören würden, galt er doch als sanfte Art des Reisens weit weg vom Massentourismus.
Mit einem Zertifikat gegen Greenwashing
1999 reagierte das Fremdenverkehrsamt Costa Ricas mit dem „Zertifikat für nachhaltigen Tourismus“ (CST), das sich bis heute etabliert hat. Damit zählt Costa Rica zu den ersten Ländern weltweit mit einer nationalen Politik für nachhaltigen Tourismus. Vorrangig verfolgt das Zertifikat drei Ziele: (1) die angemessene Nutzung der natürlichen und kulturellen Ressourcen, (2) die Verbesserung der Lebensqualität in den lokalen Kommunen und (3) wirtschaftlicher Erfolg, der sich auch positiv auf andere Wirtschaftszweige des Landes auswirkt.
Für WORLD INSIGHT-Country Manager Daniel Küng war das der nötige Schritt in die richtige Richtung: „Das Zertifikat trennt die Spreu vom Weizen, denn in einem zertifizierten Unternehmen wird Nachhaltigkeit in allen Bereichen umgesetzt. Der Besucher macht eine authentische Erfahrung, die dem Versprechen nach einer sozial- und umweltfreundlichen Reise weitestgehend gerecht wird.“
Ökotourismus ist heute in Costa Rica maßgebender Bestandteil des Tourismusangebotes. Die offizielle Website des Landes widmet dem Thema gleich eine ganze Rubrik. Ohne geht nicht mehr. Doch wie wird nun sichergestellt, dass Reisen ökologisch nachhaltig ausgeführt werden und Reiseagenturen nachhaltig arbeiten? Das letzte Puzzlestück dieser Geschichte setzt Daniel Küng zusammen. Seine Agentur ist der Partner vor Ort von WORLD INSIGHT und bekam vor kurzem das Zertifikat CST mit bestmöglichem Ergebnis (Level 5 von 5) zugesprochen. Im Folgenden erklärt Daniel, was das bedeutet: „Das Zertifikat hat verschiedene Niveaus, welche in Form von grünen Blättern gekennzeichnet werden und angeben, wie nachhaltig ein Unternehmen operiert. Die Anforderungen sind für Hotels, Agenturen, Mietwagenfirmen, Ausflugsanbieter und Restaurants leicht verschieden. Für Agenturen werden 110 Kriterien bewertet. Das niedrigste Level 1 bedeutet, dass 20-39 % der Kriterien erfüllt werden. Level 2 erfüllt 40-59%, Level 3 60-79 %, Level 4 80-94 % und Level 5 95 % oder mehr. Ein Zertifizierungskomitee bestehend aus unabhängigen Experten überprüft die Kriterien alle zwei Jahre in einer Rezertifizierung.“
Das CST in der Praxis
Bleibt noch eine Frage offen: Wie funktioniert Ökotourismus in der Praxis? Auch hierbei hilft mir Daniel Küng, der mit seiner Agentur das Credo für Nachhaltigkeit, das auch WORLD INSIGHT verfolgt, erfolgreich umgesetzt hat. So wurden für das Agenturbüro verschiedene Programme zum Sparen von Ressourcen umgesetzt: „Um Strom zu sparen, wurden beispielsweise alle Klimaanlagen entfernt und alternative Lüftungsmethoden eingeführt. Der Neubau wurde so konstruiert, dass die natürliche Luftzirkulation eine Klimaanlage erübrigt. Alle Reinigungsmittel und Shampoos für die Buspflege wurden auf biologisch abbaubare Produkte umgestellt. Für die Reisedokumentationen wurde auf Bananenpapier umgestellt, einem umweltfreundlichen Abfallprodukt aus der Bananenproduktion.“
Ein weiterer Punkt sind die Reisen, deren Programme auf ihren Umwelteinfluss überprüft und bei Bedarf verbessert wurden: „Bessere Routen und längere Aufenthalte in jedem Ort verringern den Transportbedarf. Ältere Busse wurden durch neue Fahrzeuge mit geringerem Kraftstoffverbrauch ersetzt. Fahrer erhalten Schulungen in effizienter Fahrtechnik, um Sprit zu sparen.“ WORLD INSIGHT-General Manager Andreas Färber sieht darin einen wichtigen Punkt, denn er hat selber schon als Reiseleiter gearbeitet und einiges erlebt: „Es ist mir schon häufiger passiert, dass Busfahrer bei längeren Pausen den Motor des Reisebusses laufen lassen, damit die Touristen wieder in den von der Klimaanlage gekühlten Bus steigen können. Bei Reisen von WORLD INSIGHT muss ich mir dahingehend allerdings keine Sorgen machen.“
Für Daniel Küng, genauso wie für Andreas Färber, bedeutet praktizierter Ökotourismus auch, abgelegene Regionen abseits der üblichen Touristenpfade als festen Bestandteil in die Reisen zu integrieren: „Wir besuchen diese Regionen so sanft wie möglich. Maximale Gruppengrössen werden eingehalten. Guides und Fahrer werden geschult, ihre Gruppen umwelt- und sozialverträglich zu führen und lokale Geschäfte zu bevorzugen.“ Wichtig für Daniel ist, dass dabei die Reisegäste in die Bemühungen für Nachhaltigkeit mit einbezogen werden: „Vor jedem Besuch werden unsere Gäste über Verhaltensregeln und Bestimmungen der Parks und Kommunen von den Reiseleitern informiert. Gäste werden motiviert, sich bei den verschiedenen Projekten zu engagieren.“
Neben dem Agentursitz und den Reiseprogrammen gilt es auch im Bereich des sozioökonomischen Umfelds Kriterien für eine erfolgreiche Zertifizierung mit dem CST zu erfüllen. Mit der Aufnahme von angebotenen Aktivitäten lokaler Kommunen werden Mikrounternehmer gefördert und darüber hinaus auch mit Know-How und finanziellen Mitteln unterstützt: „Wir schulen Mikrounternehmer in ländlichen Gebieten, damit diese erfolgreiche Projekte aufbauen können. Bei verschiedenen Projekten helfen wir auch finanziell.“ Dazu gehört etwa das Aufforstungsprojekt „Hijos de la Madre Naturaleza“ (Anm. d. Red.: siehe Artikel „Umweltschutz in Costa Rica“) und das Bergdorf Zapotal, das für Daniel Küng eine Herzensangelegenheit ist: „Früher florierte hier die Milchwirtschaft und es wurde Käse hergestellt. Mit der Übernahme der Milchverarbeitung durch einen Großkonzern wurde der Druck auf die Preise derart groß, dass die Bewohner von Zapotal ihre Haupteinnahmequelle aufgeben mussten. Viele wanderten in die Stadt ab. Nur eine Gruppe mutiger Frauen entschied sich zu bleiben und dem Dorf alternative Einnahmen zu erschließen. Der Bau einer einfachen kleinen Lodge sollte den Tourismus nach Zapotal bringen, doch für eine Umsetzung fehlten die Mittel. Unsere Agentur half zum Beispiel beim Bau gesetzeskonformer Gebäude.“ Für Andreas Färber und WORLD INSIGHT sind all das gute Gründe mit der Partneragentur in Costa Rica weiterzuarbeiten.
Der Ökotourismus zeigt sich auch in Reisen von WORLD INSIGHT wie der aktivPlus Reise nach Costa Rica: Im El Copal Reservat, das sich einer nachhaltigen Forstwirtschaft verschrieben hat und illegalen Baumschlag verhindert, steht ein Besuch bei einem Landwirtschaftsbetrieb mit verantwortungsvoller Rinderzucht und ökologisch sinnvollem Biokonverter auf dem Plan.
Dass dem Konzept Ökotourismus die Zukunft gehört, lässt sich nicht nur in Costa Rica erkennen. Überall da, wo politische Strukturen wie z.B. das CST oder das Ministerium für Umwelt und Tourismus in Namibia geschaffen wurden, hat sich nachhaltiges Reisen trotz erster Schwächen erfolgreich etabliert. Vielleicht darf sich ja bald auch WORLD INSIGHT-Reiseleiter Ahmed in Marokko auf eine grüne Revolution freuen. Die Wahl Costa Ricas als Vorbild ist schon mal die Richtige.