Guatemala 4. Mai 2020

Das Herz Mittelamerikas

Otfried Schöttle

Unter dem Motto #träumdichweg berichtet WORLD INSIGHT Geschäftsführer Otfried Schöttle von seiner Inspektionstour mit unserer Reiseleiterin Ana Lucía Quintana Salazar Anfang des Jahres durch Guatemala.

 

Seit seiner Geburt lebt Acuú Uj Pan in Santiago de Atitlán. Er gehört zum Maya-Volk der Tzutuhil und so lange er denken kann, geht Acuú Uj Pan, wenn ihn ein Wehwehchen plagt, er Geld braucht oder andere Anliegen hat, nicht zum Arzt oder zur Bank, sondern zum Maximón. Dieser ist gerade mal ein Meter groß, hat manchmal einen Cowboyhut auf dem Kopf und in seinem Mund steckt meist eine Zigarette. Oft hängt eine Krawatte um seinen Hals, mal trägt er ein normales Hemd, dann wieder eine Tracht, aber immer starren seine leeren Augen in seinem aschfahlen Gesicht ins nirgendwo. Stets flankiert wird Maximón von Tino und Quél Washqis, die auf den kleinen Mann aus Holz aufpassen, wie auf ihre Augäpfel. Eine Bruderschaft hat ihre Familie für dieses eine Jahr ausgewählt, den berühmten Volksgott der Maya zu beherbergen, der erst vor hundert Jahren in Santiago „geboren“ wurde. Außer dem spirituellen Segen, den der kleine Mann aus Holz den beiden Männern und ihren Familien bringt, sorgt er auch für einen Geldsegen: Deshalb steht vor dem Haus nun auch ein Gerüst für den Ausbau des Heims auf die doppelte Größe. Das, dank Menschen wie Acuú Uj Pan, die an Maximón glauben und nicht nur dann zu ihm gehen und üppig spenden, wenn es ihnen schlecht geht, sondern auch dann, wenn sie sich wieder fit fühlen – aus Dankbarkeit.

 

Vulkane und Magie am See Atitlán

Wir sind in Guatemala auf Inspektionstour und haben im Hochland um den See Atitlán die Welt der lebenden Maya betreten (ihren Nachfahren, der historischen Hochkultur, werden wir später begegnen, wenn wir durch das Gebiet des tropischen Péten streifen, um wie Indiana Jones ihre prächtigen Tempel zu entdecken). Die Welt hier ist anders: Nicht nur, weil Schamanen mit Göttern oder Ahnen kommunizieren oder es Menschen wie Acuú Uj Pan gibt, die kleinen Figuren mehr Vertrauen schenken als einem Priester oder Arzt. Sie ist auch anders, weil die Landschaft hier so magisch ist, wie selten anderswo: Die drei Vulkane San Pedro, San Tolimán und Atitlán bilden eine fast unwirkliche Kulisse zum Atitlán-See, der vor 85.000 Jahren noch selbst ein Vulkan war, dann explodierte und zu einem Krater metamorphosierte, der heute den zweitgrößten See Guatemalas bildet. An seinem Ufer wohnen die Cakchiquel, die Quiché und eben die Tzutuhil, die ihren alten Riten mindestens ebenso trauen, wie dem Katholizismus, den vor fast exakt 500 Jahren die Konquistadoren um den spanischen Eroberer Acuú Uj Pan de Alvarado brachten.

Für die Nacht sind wir zu Gast im Haus einer Familie der Quiché in San Juan. Anders als in Panachachel oder auch in Santiago verirren sich hier nur wenige Touristen hin, die den Atitlán-See besuchen. WORLD INSIGHT-Reisende jedoch schon. Es gibt bunte kleine Häuschen hier und eine Kooperative des indigenen Volkes, die neben der Produktion von Handwerk auch die Möglichkeit bietet, bei einheimischen Familien zu übernachten. Das ist ganz nach unserem Geschmack zu Reisen – Menschen auf Augenhöhe zu begegnen! Wir werden warmherzig empfangen – nach dem, was wir in den touristischen Orten Chichicastenango oder Panachachel erlebt haben, wo die Maya zwar freundlich, aber eher zurückhaltend sind, überrascht uns das etwas. „Die Menschen hier sind super lieb“, sagt Ana, unsere deutschsprachige WORLD INSIGHT Reiseleiterin. Sie muss es wissen, denn ihre Vorfahren sind zum einen Teil Mestizen, zum anderen Maya.

 

Ganz nah dran an Land und Leuten

Zum Abendessen, das in der traditionellen Küche mit Feuerofen zubereitet wird, stehen Huhn, Kartoffeln und Kochbananen auf dem Tisch. Gabriel, der Vater des Hauses, spricht vom Alltag der Maya und Ana übersetzt aus dem Spanischen, so klappt die Kommunikation reibungslos. Nach dem Nachtisch – eingelegte Mango aus dem eigenen Garten – zeigt er uns ein Exemplar des Popol Vuh-Buches, das die Entstehungsgeschichte des Maya-Volkes erzählt. Der Legende nach wurden die Maya zunächst aus Lehm gemacht, doch die Götter wuschen sie und sie zerfielen. Dann machte man sie aus Holz, doch sie hatten kein Herz und wurden verbrannt. Schließlich warf die Mutter der Erde, die Göttin Ixmucane zwei Maiskörner auf den Boden und die Maya von heute entstanden.

Mittlerweile stehen die Sterne schon hoch über uns und es ist Zeit zum Schlafen. Die Toilette befindet sich im Garten, eine kleine Dusche ebenso und nach einer Katzenwäsche träumen wir in unserem einfachen, aber behaglichen Zimmer, bis der Hahn des Hauses uns weckt. Zum Frühstück steht Kaffee auf dem Tisch, den uns Maria, die Frau des Hauses, frisch aufgebrüht hat. Die Bohnen dafür hat die Familie selbst angebaut und das strahlende Lächeln, das sie uns beim Eingießen schenkt, ist nicht weniger schön, als der Blick in den bunten Garten mit all seinen Pflanzen und Früchten, deren Farben im Licht der erstarkenden Morgensonne so satt sind, wie in einem Gemälde Gaugins. Ein neuer Tag voller Erlebnisse kann beginnen!

 

Markttag in Chichicastenango

Wenn es Donnerstag oder Sonntag ist, dann ist Markttag in Chichicastenango. Und natürlich planen wir unsere Guatemala-Reisen so, dass wir an jenen Tagen an diesem Ort sind. Auch wenn Chichicastenango nicht nur die Maya aus der Umgebung anzieht, sondern auch jede Menge Touristen, ist der Besuch des Ortes ein Muss. Vielleicht ist es der Trubel und die unbändige Farbenvielfalt, die so faszinierend sind, vielleicht die Marktverkäufer, die um die Wette rufen, wenn sie ihre Waren anbieten. Vielleicht ist es die Kirche Sankt Thomas, die den Maya- und den katholischen Glauben zu einem Synkretismus vereint, den es sonst wohl kaum ein zweites Mal gibt. Vielleicht sind es die Schamanen, die am Friedhof inmitten all der bunten Grabsteinen an Zeremonienstätten unbeeindruckt von den glotzenden Touristen den Kontakt zu den Ahnen und Göttern suchen – es wird von all dem etwas sein, das Chichicastenango zu einem ganz besonderen in ganz Lateinamerika macht. Einen Abstecher wert ist auch der örtliche Friedhof. Für die Maya ist dieser nicht etwa ein Ort der Trauer, sondern der Freude: Der Freude darüber, dass der Verstorbene nun in ein neues Leben übergeht, ein besseres, welches ihn der Götterwelt einen weiteren Schritt näherbringt. Deshalb findet man auf traditionellen Maya-Grabsteinen auch nur ein Datum, denn der Todestag ist gleichzeitig auch der Geburtstag des neuen Daseins. Besonders an Allerheiligen herrscht festliche Stimmung auf den Friedhöfen. Dann bringen die Lebenden Speisen und Getränke und feiern zwischen den bunt gestrichenen Grabsteinen ein Fest mit den Verstorbenen.

 

Malerisches Antigua

Drei Fahrstunden weiter, die Panamericana entlang, erreichen wir Antigua. Die Stadt strotzt vor so viel kolonialem Charme, als sei sie einer Fantasie des kolumbianischen Autors Gabriel Garcia Marquez entsprungen. Zu allem Überfluss liegt sie auch noch am Fuß des 3.500 Meter hohen Vulkans Agua, der sich dramaturgisch geschickt zwischen Wolken versteckt, um sich schließlich dem Besucher in seiner ganzen Pracht zu zeigen: Bestenfalls eingerahmt durch den berühmten gelben Torbogen des Convento Santa Catalina, Fotomotiv und Filmkulisse wie aus dem Bilderbuch. Während unsere Reisegäste hier zwei Nächte verbringen, ist uns hier nur ein Nachmittag und Abend vergönnt. Wir nutzen ihn nach der Besichtigung unseres Hotels (im kolonialen Stil, zentral gelegen, mit Patio und schöner Dachterrasse – passt!) zu einem Ausflug zum Aussichtspunkt Cerro de la Cruz. Doch statt Abendsonne erwartet uns ein milchiger Himmel, der die Stadt blass und kontrastfrei macht – und vom Agua und den anderen Vulkanen ist an diesem frühen Abend auch erstmal nichts zu sehen. Doch zum Glück erinnere ich mich an den Spruch meines alten Fotografen-Freundes Martin Buschmann: Lieber mal etwas länger warten! Und das tun wir dann auch und schließlich zeigt sich der Gipfel des Aqua einen Moment lang frei von Wolken; weil das aber nur für die Spitze gilt, unter ihm aber weiterhin der Dunst liegt, scheint dieser über der Stadt zu schweben und wir fangen eine Perspektive ein, die es so nicht in jedem Reiseführer gibt.

 

Ins tropische Tiefland

Guatemala ist ein Reiseziel par excellence, weil es auf recht kleiner Fläche eine unfassbare kulturelle und natürliche Vielfalt beherbergt. Nachdem wir noch am Pacaya-Vulkan unweit der Hauptstadt Guatemala City Marshmallows in der Glut von Lava gebraten haben und über die „gutmütige“ nicht explosive und nicht mehr flüssige, aber noch warme hawaiianische Art der Pahoehoe-Lava gewandert sind, erreichen wir eine knappe Flugstunde später das tropische Puerto Barrios an der Karibik. Eine weitere Stunde mit dem Boot bringt uns dann in den Ort Livingstone, eine Kleinstadt, die mit ihren bunten Häuschen malerisch am Meer liegt. Die Atmosphäre dominiert Rasta und Reggae, denn neben den Kequchi-Maya, die anders als im Hochland um den See Atitlán keine Trachten tragen, leben hier die so genannten Garifuna – Nachfahren schwarzer Sklaven, die von den karibischen Inseln vor ihren Peinigern an die Küsten Belizes, Honduras und Guatemalas geflohen sind. Zur Mittagszeit steht, wen wundert es angesichts der tropischen Hitze, das Leben still. Anders am Abend – dann ist überall Musik und Tanz auf den Straßen und zum Essen gibt es das traditionelle Tapado, eine Suppe aus Fisch, Meeresfrüchten, Kokosmilch, Shrimps und Kochbananen.

 

Abenteuer Rio Dulce

In Livingstone mündet der Rio Dulce ins Meer. Der Fluss ist nur 45 Kilometer lang, hat es aber in sich, weil er eine enorme Fülle an Fauna und Flora beherbergt. Er bringt Süßwasser aus Guatemalas größtem See, dem Izabal-See und trifft dann kurz vor Livingstone auf das Salzwasser des Meeres. In dieser Brackwasserzone stranden Süßwasserfische, die Richtung Karibik schwimmen. Die Kequchi-Maya sind klug genug, gerade hier ihre Netze auszuwerfen und weil die Grenze fast geradlinig ist, reihen sie sich Boot an Boot. Gerudert wird per Hand und das einzige, was die Idylle stört, sind die Schnellboote, die Livingstone mit den Orten am Izabal-See verbinden und deren Raserei größere Wellen verursacht. Die Fischer vom Volk der Maya sind aber nicht die einzige Attraktion des Rio Dulce: Die Stars der Region sind die vielen Vögel, die über unseren Köpfen kreisen oder in den Wäldern am Ufer nisten. Deshalb empfiehlt es sich unbedingt, ein Fernglas mit auf die Reise zu nehmen. Reiher, Kormorane, Fischadler, Fregattvögel fliegen durch die Lüfte des üppigen Regenwaldes – oder tänzeln, wie zum Beispiel Teichrallen oder Blatthühnchen, auf den Lotusblüten, die sich wie Teppiche in den Seitenflüssen des Rio Dulces ausbreiten. Die üppige Mangrovenwelt des Brackwasser Gebietes bildet ein ideales Biotop für diese einzigartige Vogelwelt. Zu Land schleichen Schildkröten am Ufer entlang oder man erspäht orangefarbene paarungswillige Leguan-Männchen, die auf der Suche nach weiblichen grauen Pendants sind. Seltener sieht man Krokodile. Wer eine Rundschwanzseekuh zu Gesicht bekommt, der hat den Jackpot geknackt!

 

Außergewöhnlich: die Hacienda Tijax

Unsere Bootstour endet kurz vor der Festung San Felipe del Morro, die das Tor zum Izabal-See bildet und die bis ins 18. Jahrhundert der wichtigste Handelshafen der Spanier auf dem Gebiet des heutigen Guatemalas war. Hier erreichen wir am Ufer die Hacienda Tijax, die Eugene Gobbato seit mehr als 10 Jahren im Familienbesitz betreibt. Der Guatemalteke italienischer Abstammung erinnert etwas an den späten Clint Eastwood: Etwas kauzig, aber sympathisch und ein echter Kämpfer für die Natur; wenn Eugene etwas sagt, duldet das keinen Widerspruch, aber was er sagt, ist intelligent und durchdacht, nicht einfach so daher geplappert. Und ja, er kann auch lachen, nachdem er sich zunächst ausgiebig über die Korruption seines Landes oder über die Abholzung der Wälder zugunsten des Ölpalmenanbaus echauffiert hat. Er lacht dann, wenn man ihn auf sein kleines Paradies anspricht, das er hier im Dschungel geschaffen hat – mit netten kleinen Bungalows, einem hübschen Pool, toller Küche, Selbsterkundungspfad über die Hängebrücken seines privaten Reservates. Die gute Nachricht: Alle unsere Gruppen verbringen hier mindestens eine Nacht! Und am Morgen, wenn die Sonne über dem Rio Dulce aufsteigt, könnt ihr von hier aus mit dem Kanu die Vogelwelt erpaddeln, um anschließend euer Frühstück auf der herrlichen Veranda der Lodge zu genießen.

 

Im Herzen der antiken Maya-Welt: Tikal

Es ist halb vier Uhr morgens als mein Wecker klingelt. Ana und unser lokaler Reiseführer Juan erwarten mich schon in der Lobby unseres Hotels mit einer Taschenlampe. Wir wandern durch das Dunkel der Nacht entlang der Baumriesen in den Regenwäldern des Petén. Aber es sind eben nicht nur Baumriesen, die unseren Weg flankieren: Denn nach einer halben Stunde zeigt Juan einfach mal nach rechts und sagt: „Mira“ – „schau mal!“ Ich sehe zunächst nichts, dann Schemen und schließlich weiß ich, dass wir den Tempelkomplex von Tikal erreicht haben. Magischer könnte man sich der wohl bedeutendsten Stätte der klassischen Maya-Periode nicht nähern! Für mich geht heute ein Traum in Erfüllung, die Anlage spukt schon seit Jahren in meinem Geist herum: Ich habe Angkor viele Male besucht, die Stätten der Inka, der Maya in Mexiko, die der Azteken, der Ägypter, der Nabatäer, der alten Bantu Völker Simbabwes – viele dieser Stätten sind von Touristen so bevölkert, dass der Charme der Bauwerke trotz der ganzen grandiosen Architektur und Geschichte leidet. Tikal gehört zweifellos zu den wichtigsten kulturhistorischen Hinterlassenschaften dieser Erde und dann das: Nur wenige andere neugierige Reisende haben sich an diesem frühen Morgen auf den Weg durch den Dschungel gemacht, um vom Tempel 4 den Sonnenaufgang über dem Gebiet des Petén zu erleben. Anders als in vielen touristischen Hotspots dieser Welt, ist es während des einstündigen Naturspektakels mucksmäuschenstill – einzig das Klicken des ein oder anderen Fotoapparates unterbricht die majestätische Stille und natürlich die Geräusche des Urwaldes, allen voran die Schreie des Brüllaffens, der zum Sonnenaufgang erwacht. So müssen es auch die Maya damals erlebt haben – nur den Blick, den wir haben, war allein der der Könige, die auf ihr Volk schauten, mächtig und gottgleich, wissend und voraussagend, weil sie den Gang der Sonne und der Sterne kannten, was ihnen unfassbare Macht verlieh.

 

Die Riten: Viel Blut, aber wenige Opfer

Es war k‘uhul ajaw, der Gottkönig, der die Verbindung zwischen Menschen- und Götterwelt herstellte. Er trat mittels blutiger Rituale in Verbindung zu ihnen, was fruchtbare Ernten brachte oder Naturkatastrophen vermeiden sollte. Das Blut stand aber nicht etwa für sinnlose Brutalität, die Maya waren vielmehr der Auffassung, es nähre die Götter. So gab es deutlich weniger Menschenopfer als bei den Azteken, stattdessen vollzog der König an sich selbst blutige Eingriffe, in dem er aus feinem Obsidian seine Zunge, seine Ohrläppchen und in einigen Fällen sogar seinen Penis durchstach. Wenn es Menschenopfer gab, so gereichte es dem Betroffenen meist zu großer Ehre und zu einem kommenden besseren Leben: Man denke nur an das berühmte rituelle Ballspiel, in dem der Sieger den Göttern geopfert wurde. Wir streifen über den „Großen Platz“, der von den Tempeln 1 und 2 flankiert wird und erfahren dabei vom ständig großen Kampf zwischen den Städten Calakmul und Tikal, von den „Schlangenkönigen“, die einst die Stadt für 100 Jahre besetzten, von den fast 200.000 Menschen, die Tikal einmal besiedelten und von den etwa 10.000 Gebäuden, die man hier vermutet. Mit 40 und 47 Metern gehören Tempel 1 und Tempel 2 zu den höchsten Stufenpyramiden Mittelamerikas und ihre Ausrichtung ist Teil des berühmten Mayakalenders, mit deren Hilfe die Herrscher Sonnenfinsternisse und Regenzeiten voraussagen konnten. Ohne Frage, wir stehen hier inmitten einer Welt, fortschrittlich und geheimnisvoll, von magischer Kultur, Schönheit und Eleganz, die der unsrigen des europäischen Kontinentes in jenen Jahren zwischen dem 3. Und 9. Jahrhunderts meilenweit voraus war.

 

Wenig entdeckte Schönheit Yaxha

Der „Camino Blanco“, der weiße Weg, den wir nehmen, könnte genauso von den historischen Maya gebaut worden sein: Diese nannten die Mischung aus Kalk, Sand, Latex und Wasser, die erhärtet eine teerartige Masse bildet, sacbe. Für unser heutiges Komfortbedürfnis ist diese Straße vielleicht mangelhaft, für damalige Verhältnisse war sie dagegen eine Revolution. Eben deshalb wundern wir uns auf unserer einstündigen holprigen Fahrt von Tikal nach Yaxha, dass die Maya bei so vielen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Errungenschaften niemals das Rad erfunden hatten. Einzig auf Baumstämmen rollten die Maya über diese fortschrittlich gebauten Wege, Fahrzeuge hatten sie keine. Das war auch der Grund, weshalb Yaxha eine so große Bedeutung hatte: Die Stadt war der Zugang oder eine Art „Zollstadt“ zu Tikal, weil sie direkt am Ufer des Petén Itzá-See liegt. Hier kamen die Boote der Händler aus dem mehr als 1.000 Kilometer nordwestlich gelegenen Teotihuacán an, die über Flüsse, Seen und entlang der Meeresküsten navigierten, um grünen Obsidian und Agaven zu bringen. Im Gegenzug nahmen sie schwarzen Pfeffer, Honig und Papageien aus dem Petén mit, denn die Herrscher des Nordens schmückten sich gerne mit deren Federn.

Ana und ich spazieren durch die von Touristenbussen wenig heimgesuchte Stätte. Wenn, dann sind es einige Traveller, die sich hierher verirren und gerade das macht Yaxha für uns von WORLD INSIGHT so spannend – man erlebt die Welt der antiken Maya nahezu für sich; Besonderheiten, die wir auf allen Touren für unsere Gäste einbauen, denn wir sind Reisende und keine Touristen! Ana erklärt mir, dass die Stadt unfassbare 1.600 Jahre bevölkert war (700 v. Chr. bis 900 n. Chr.), sie zeigt mir einmal mehr anhand der Ausrichtung der Pyramiden das ausgeklügelte kosmische System der Maya, sie weist mich auf den „Chico Sapote“ hin, auf einen Gummibaum, der so hartes Holz produziert, dass sogar Türen aus der damaligen Zeit noch existieren. Sie führt mich zu einer Stelle aus dem 4. Jahrhundert nach Christus, die eine Person mit der Maske des Kriegsgottes Tlaloc trägt und erklärt mir anschaulich das göttliche Pantheon der Maya. Dann steigen wir zum Sonnenuntergang auf die Hauptpyramide der Akropolis – und anders als in Tikal nicht über neu gebaute Treppen, sondern über die originalen Stufen der Pyramide, was natürlich den Entdeckerflair um ein Vielfaches steigert. Oben stehen wir gerade einmal mit sieben Personen und erwarten das Naturschauspiel. Ich denke zurück an den Maximón, dem ich jetzt gerne eine neue Zigarette in den Mund stecken möchte. Er würde weiter in die Leere blicken, flankiert von seinen Leibwächtern Tino und Quél Washqis, zufrieden mit der Welt – so wie ich über die Pyramiden von Yaxha und des Petén, am Gipfel der eigentlichen den Gottkönigen vorbehaltenen Orte, erfüllt von Dankbarkeit für einen dieser Momente, der für uns Sterblichen die Ewigkeit bedeutet.

 

Mehr Eindrücke von unserer Tour durch Guatemala seht ihr in diesem Video:

 

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