Im Land der Khmer 3. Juli 2015

Insight Kambodscha

Otfried Schöttle

Auch wenn heute noch die Spuren einer bewegten Vergangenheit zu spüren sind, haben sich die Menschen im Land der Khmer ihre Herzlichkeit bewahrt. Otfried Schöttle über authentische Begegnungen in Kambodscha.

Wie WORLD INSIGHT Geschäftsführer Otfried Schöttle und WORLD INSIGHT Fotograf Martin Buschmann Land und Leuten in Kambodscha ganz nah kamen. Unvergessliche Begegnungen und Erlebnisse, die wir Ihnen im Rahmen unserer Katalogvorstellungen im November und Januar in verschiedenen deutschen Städten auch live präsentieren werden.


Bunsan ist eigentlich ein rational denkender Mensch. Kein Wunder, denn er wuchs zu einer Zeit auf, als noch die Roten Khmer ihr Unwesen in Kambodscha trieben. Diese Kämpfer, die das Land zwischen 1975 und 1979 in den Ruin trieben, die von sechs Millionen Kambodschanern zwei Millionen töteten und die noch bis in die neunziger Jahre als Guerilla-Gruppen das Land und seine Menschen in Angst und Schrecken versetzten. Bunsan, heute 35 Jahre alt, ist also nicht naiv. Und darüber hinaus auch noch klug: Er ist einer unserer besten deutschsprachigen Reiseleiter in Kambodscha, kennt Nietzsche und sagt, obwohl er Buddhist ist, dass Religionen von Menschen gemacht sind, nicht von Göttern.

Unser Reiseleiter Bunsan lässt sich eine Tarantel schmecken.

Da passen seine abenteuerlichen medizinischen Auffassungen nicht so recht ins Bild: „Rindfleisch verdoppelt die Schmerzen“ sagt Bunsan, zeigt auf seine böse Schürfwunde, die er sich gerade bei einem Mopedunfall am Unterarm zugezogen hat und greift statt zum Rindfleischsalat herzhaft zur frittierten Tarantel, die er sich genussvoll in den Mund schiebt – so, wie wir Chips essen, während wir samstagabends die Sportschau anschauen. Kambodscha ist ein Land voller sympathischer Widersprüche. Und weil Bunsan ein ernstes Gesicht bei diesem Ausspruch macht und es mit einem noch ernsteren „das weiß doch jedes Kind“ unterstreicht, widerspreche ich nicht und statt westlicher Antibiotika heilt fortan der Verzicht auf ein Stück Rindfleisch alle Wunden.

Kochen für eine Zukunft

Prasat Schule

Die Schüler der WORLD INSIGHT Englischschule in Prasat freuen sich über den Besuch von Phath Mey, Otfried Schöttle und Martin Buschmann

Rote Khmer, Krieg und Taranteln – nicht gerade ein einladender Einstieg für eine Geschichte, die Sie eigentlich nach Kambodscha locken soll. Aber Kambodscha wäre nicht Kambodscha, wenn wir Ihnen den Zugang zu einfach machen würden. Überhaupt, wenn Sie bereits hier aus der Geschichte aussteigen, dann haben Sie sich die Reise dorthin ohnehin nicht verdient: Man muss Kambodscha verstehen, um es zu lieben – und wir wollen, dass Sie das Land nicht nur besuchen, es nicht nur auf die Tempel von Angkor reduzieren, wir möchten, dass Sie es wirklich erleben!

Und keine Angst, Sie müssen keine Taranteln essen: Unser Country Manager Phath Mey, von dem hier noch öfter die Rede sein wird, hat niemals welche verspeist, auch wenn er zu Kriegszeiten in Kambodscha aufgewachsen ist. Sie können stattdessen auch frittierte rote Ameisen mit Rindfleisch genießen oder das berühmte Amok, ein aus sechs Gewürzen zusammengezimmertes Gericht mit Fleisch-, Huhn- oder Fischeinlage.

Sie können auch völlig angstfrei nach Kambodscha reisen: Die Zeiten der Roten Khmer sind längst vorbei. Wenn diese Menschen nicht gerade Khieu Samphan heißen und vor dem UN-Tribunal in Phnom Penh stehen, dann sind diese heute in die Gesellschaft Kambodschas integriert und bedienen Sie in Restaurants, arbeiten bei der städtischen Müllabfuhr, beim Militär oder als Handwerker – ein kleines Wunder angesichts der Tatsache, dass die Schergen Pol Pots ein Drittel der Bevölkerung Kambodschas auf dem Gewissen haben. Kambodscha ist bestimmt keine heile Welt, dafür gibt es zu viel Korruption, Fehlplanungen und einen Regierungschef, der vor allem in seine eigene Tasche wirtschaftet.

Es wird viel gelacht, wenn wir den Köchen in die Schüsseln und Woks blicken.

Aber das Land funktioniert irgendwie dennoch. Vielleicht liegt das an Menschen wie zum Beispiel Dokanha Buthy, die das Romdeng Restaurant betreibt, das zur Hilfsorganisation „Friends International“ gehört. Es liegt im Herzen der Hauptstadt Phnom Penh, für unsere Reisegäste praktischerweise vis-á-vis unseres WORLD INSIGHT-Standard-Hotels. Im Romdeng Restaurant werden Straßenkinder und Waisen zu Köchen ausgebildet, die sonst wahrscheinlich in den Gassen Phnom Penhs untergehen würden. Weil die Mädchen und Jungs nicht nur in der Küche kreativ sind, sondern auch auf der Leinwand, malen sie ihre Geschichten. Diese hängen an den Wänden des ohnehin bunten Gebäudes und erzählen von einer Welt, wie sie sie sehen: Fröhlich, voller Hoffnung, hell und friedlich!

Inmitten dieser wunderbaren jungen Menschen kosten wir dann auch die Taranteln, die liebevoll dekoriert serviert werden. Aber auch Nom Samon, eine Art Kuchen aus Klebereis, der in Bananenblätter eingewickelt ist. Oder Samlor Korko, eine typisch kambodschanische Suppe mit Papayas, Kürbissen, Spinat, Aubergine, Zucker und Fischsauce. Bon Appetit! Es wird viel gelacht, wenn wir den Köchen in die Schüsseln und Woks blicken – ein Profifotograf wie Martin schaut schließlich nicht alle Tage vorbei, der ebenso emsig und geschickt mit seinen Kameras hantiert, wie die jungen Leute mit ihren Kochlöffeln.


Mey Cham, ein Überlebender

Wir entdecken in den lachenden Gesichtern Kambodschas Zukunft, um anschließend in das Gesicht eines 85 Jahre alten Mannes zu schauen, in dessen Falten eine grausame Vergangenheit zu lesen ist: Mey Cham ist einer von sechs Überlebenden der Schule Tuol Sleng, in der 17.000 Menschen gefoltert wurden, um schließlich auf den berüchtigten Killing Fields ermordet zu werden. Ich habe die Ehre, mit diesem außergewöhnlichen Mann zu sprechen und frage ihn, was für ihn das Schlimmste in diesem Gefängnis gewesen sei: Es waren nicht die Demütigungen, auch nicht die Schläge, das Schlimmste sei die Hoffnungslosigkeit gewesen, erzählt mir Mey, der mit seinen 85 Jahren, seinen wachen Augen und seiner ausdrucksvollen Mimik bestimmt zwanzig Jahre jünger erscheint. Warum gerade er überlebt hätte, diese Frage stelle auch er sich immer wieder.

Die Überlebenden verfügten alle über außergewöhnliche Fähigkeiten, die den Befehlshabern von Tuol Sleng irgendwie genutzt haben: Maler und bestimmte Handwerker seien diese sechs Personen gewesen. Der Einmarsch der Vietnamesen und die Befreiung der Schule war für Mey schließlich ein „unfassbares Ereignis“, mit dem er nie mehr gerechnet hätte. Zur Demonstration der Grausamkeiten, die in Tuol Sleng begangen wurden, kauert er sich nochmals in seine Zelle von damals, keine zwei Quadratmeter groß – ein Raum, wie aus einem Edgar-Allan-Poe-Albtraum, wo die Wände sich aufeinander zu bewegen, um den Menschen darin zu erdrücken.

Die eisernen Fußfesseln zeugen von einer grausamen Gefangenschaft.

Die eisernen Fußfesseln zeugen von einer grausamen Gefangenschaft.

Er zeigt uns die Fußfesseln und die kleine Blechbüchse, in den die Gefangenen ihre Notdurft verrichten mussten. Das Kapitel „Tuol Sleng“ ist für Mey Cham nie zu Ende, deshalb hat er ein Buch mit dem Namen „Survivor“ geschrieben. Ein Buch, damit die Nachwelt seine Leiden nie vergisst, aber auch ein Buch für sich selbst, um das Unmögliche zu verstehen, was zwischen 1975 und 1979 in Kambodscha passiert ist.


König Jayavaram IV. lebt!

Ko Kher2

Keine Menschenseele beim Zugang zum „Prasat Thom“, dem „großen Turm“ vom Tempelkomplex von Ko Ker. Wer hierhin vordringt, darf sich noch wie ein echter Entdecker fühlen.

Wir reisen weiter in die Vergangenheit. In die großartige Welt der alten Khmer-Könige. Doch bevor wir uns nach Siem Reap und Angkor aufmachen, das jährlich von zwei Millionen Touristen überrollt wird und das mit seinen Luxushotels, der lauten Pub-Street, Shops und westlich orientierten Restaurants nach Kambodscha passt wie ein Rolls Roys inmitten von unglaublich charmanten, aber einfachen Trabbis, machen wir einen Abstecher nach Koh Ker, in das Reich des Jayavarman IV. und Harshavarman II.

Wenn Sie Entdecker sind – und als WORLD INSIGHT Reisender sind Sie Entdecker –, dann werden Sie diesen Tempel lieben! Früher erreichte man diesen nur mit dem Jeep oder mit dem Hubschrauber. Jetzt aber führt die neue Nationalstraße N71 von Stung Treng nach Siem Reap direkt an Koh Ker vorbei und auch wir besuchen die unglaublich schöne Anlage seit dem letztem Jahr auf vielen unserer Laos- und Kambodscha-Kombinationsreisen.

Ko Kher3

Wurzeln bemächtigen sich den Tempelbauten von Ko Kher.

Koh Ker war im 11. Jahrhundert für gerade einmal 16 Jahre Königsstadt. Das Besondere dieser Tempelanlage ist also weniger ihre Bedeutung als vielmehr die ganz besondere Atmosphäre, die hier herrscht. Wer sich einmal wie der Angkor-Entdecker Henri Mouhot fühlen möchte, für den ist Koh Ker ein Muss. Während beispielsweise Angkors ohne Frage beeindruckender „Ta Prohm“ (Tempel des alten Priesters) mit seinen prachtvoll von Baumwurzeln umschlungenen Gemäuern schon mal für Hollywood herhalten muss (Tomb Raider mit der schönen Angelina Jolie!) und milliardenfach auf Speicherkarten gemeinsam mit grinsenden Touristen aller Nationen verewigt ist, findet man ebensolche schönen Stein-Natur-Kompositionen im Tempel „Prasat Prohm“ (Tempel der fünf Türme) von Koh Ker. Nur eben ohne sich für ein Bild anstellen zu müssen. Im Gegenteil, Sie brauchen nicht einmal Glück, um das Bauwerk ganz alleine für sich zu haben. Genauso wie im „Prasat Thom“ (Großer Turm), der sich vor uns auftut, wie der mächtige Tempel 1 der Maya von Tikal – unglaublich!

Wer sich einmal wie der Angkor-Entdecker Henri Mouhot fühlen möchte, für den ist Koh Ker ein Muss.

Während die Tempelberge von Angkor nur über drei Stufen verfügen, die den Gläubigen auf den Weltenberg Meru führen (dieses hinduistische Heiligtum symbolisiert alle Tempelberge aus der Angkor-Periode), verfügt der Prasat Thom über sieben und erhebt sich damit majestätisch über die endlose Weite Nordkambodschas! In dieser Einsamkeit und Ruhe werden zwangsläufig die alten Könige lebendig, man muss nur für einen Moment die Augen schließen und man sieht, wie König Jayavarman IV. den Tempelberg emporsteigt, um sich von seinem Volk als Gott feiern zu lassen. Man sieht, wie die Priester im „Prasat Lingam“ den Shiva-Kult praktizieren, wo ein prächtiger „Lingam“ und eine „Yoni“ die Verbindung zwischen Himmel und Erde symbolisieren. Zu viele unbekannte Begriffe, die Sie vielleicht nicht verstanden haben? Das muss Ihnen nicht unangenehm sein, dafür gibt es Reiseleiter wie unser Bunsan. Und die erklären Ihnen die Welt des Buddhismus und Hinduismus so wohl dosiert und spannend, dass Sie dabei keinesfalls einschlafen müssten.


Exkurs | Es war einmal…

…die Schienen, auf denen der so genannte „Bamboo-Train“ heute verkehrt, haben einmal Sihanoukville, Phnom Penh, Battambang und Bangkok miteinander verbunden. Heute verkehrt kein Zug mehr auf der zerbeulten Trasse. Dafür haben die Einheimischen eine Art Draisinen zusammengebastelt und mit sechs-PS-Motoren versehen, die sie als Taxis benutzen. In Battambang ist diese Art der Fortbewegung mittlerweile zu einer Touristenattraktion geworden – aber sehen Sie selbst!


Lingam Yoni

Lingam in Ko Kher

Ein Lingam in Ko Kher

Ein Lingam ist ein phallusförmiges Element, das den Hindu-Gott Shiva symbolisiert. Er steht für den so genannten „Shiva-Kult“, der vor und zu Zeiten der Khmer-Kultur in Asien weit verbreitet war. Obwohl er einem Phallus gleicht und in Verbindung zum weiblichen Pendant, einer Yoni, steht, ist er keineswegs ein Symbol der Fruchtbarkeit, sondern steht für die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Öfter werden auch natürliche Felsformen als Lingams angesehen: Dort entstehen dann Tempel und Klöster wie beispielsweise das Wat Phou in Südlaos.


Die Krouchs

Familie Krouch vor Huette

Kinder spielen vor der Hütte der Familie Krouch.

Wir erfahren von ihrem Wegzug aus ihrer Heimatstadt Kampong Thom, weil es dort keine Arbeit gab. Und von der harten Tätigkeit auf der Bananenplantage, die einem vietnamesischen Besitzer gehört und die gerade mal mit fünf Dollar pro Tag entlohnt wird…

Überhaupt, unsere deutschsprachigen einheimischen Reiseleiter sind Gold wert! Wir merken das einmal mehr, als Martin zu einem Fotostopp am Wegesrand ruft, irgendwo im Nirgendwo auf der Nationalstraße 78, 100 Kilometer nördlich von der Provinzstadt Kampong Thom entfernt. Während unser Fotograf munter knipst, komme ich mit der Familie Krouch, wie sie sich mir vorstellt, ins Gespräch. Mein Wortschatz von „Susaday“ („Guten Tag“), „Ogun Dschiran“ („Vielen Dank“) und „Chul Mui“ („Zum Wohl“) reicht zwar aus, um die Khmer zum Lachen zu bringen, aber leider bei weitem nicht dazu, um etwas aus ihrem Leben zu erfahren. Aber dafür gibt es ja Bunsan und dessen Sprachkenntnisse.

Und die Kambodschaner machen es einem leicht: Stellen Sie es sich einfach mal umgekehrt vor, zwei Khmer vollbepackt mit Kameras, begleitet von zwei einheimischen Deutschen, klingeln an Ihrer Haustür und stellen Ihnen Fragen aus Ihrem Leben. Würden Sie die Türe öffnen? Hand aufs Herz – nein! Die Kambodschaner dagegen schon: Voraussetzung ist, der „Barang“ (so werden westliche Ausländer von den Khmer genannt) lächelt, sagt freundlich „Susaday“, hat einen Trumpf wie Bunsan mit dabei und schon läuft die Konversationsmaschine.

Kinder bei Siem Reap

Kinder bei Siem Reap

„Die Freundlichkeit der Menschen ist neben Angkor Kambodschas größtes touristisches Gut“ sagt Bunsan und während er diesen Satz sagt, denke ich kurz an meine morgendliche Fahrt mit der Straßenbahn zu unserem Büro in Köln, wo inklusive mir alle nur still auf ihr Smartphone glotzen. Die Familie Krouch hat aber kein Smartphone, auf das sie starren könnte. Sie hat nicht mal Strom. Und selbst das Wasser muss Vater Krouch aus einem drei Kilometer entfernten Brunnen schöpfen. Dafür schauen sie einem ins Gesicht, lachen und unterhalten sich mit uns.

Wir erfahren von ihrem Wegzug aus ihrer Heimatstadt Kampong Thom, weil es dort keine Arbeit gab. Und von der harten Tätigkeit auf der Bananenplantage, die einem vietnamesischen Besitzer gehört und die gerade mal mit fünf Dollar pro Tag entlohnt wird. Mutter Krouch erzählt von ihrem kleinen Garten, in dem sie Maniok, Papayas und Tomaten anbaut, man zeigt uns die provisorisch zusammengezimmerten Holzhütten auf Stelzen, deren einziger Luxus das Wellblechdach über dem Kopf ist. Trotz all der Sorgen und der Armut macht die siebenköpfige Familie keinen unglücklichen Eindruck. Es wird viel gelacht und Martins Bilder, die er im Display seiner beeindruckenden Kamera in die Runde zeigt, rufen ein freudiges „Ah“ und „Oh“ hervor. Am Ende sind wir fast zwei Stunden da. Niemand will Geld oder eine andere Form von „Unterstützung“. Herzlichkeit gibt es in Kambodscha, wenn man abseits von den Touristenorten reist, gratis.


Landlust statt Politikfrust

Kambodscha könnte glücklich sein. 90 Prozent seiner Landesfläche besteht aus fruchtbaren Ebenen, es gibt den Fisch- und Wasserreichtum des Tonle Sap-Sees und anders als in Vietnam, das unter massiven Problemen der Überbevölkerung leidet, könnte von all diesen Ressourcen die überschaubare Bevölkerung von 15 Millionen Menschen problemlos ernährt werden.

Wasserbüffel bei Siem Reap

Wasserbüffel bei Siem Reap

Wenn dieses Thema angeschnitten wird, wird aus unserem sonst immer gut gelaunten Country Manager Phath Mey ein kritischer Denker. Dann verzieht er die Stirn, die Augen werden größer und der Mund kleiner, die Hände spielen unruhig miteinander und es ist eine Sache von Sekunden, dass der Ärger Phaths über Kambodschas Regierung aus ihm herausplatzt. Lange Busfahrten eignen sich für derartige Entladungen am besten und das Gespräch mit den Krouchs hat Phath nicht kalt gelassen: „Wenn unsere Politiker nicht alle Gewinne in die eigene Tasche wirtschaften würden, sondern es in die Infrastruktur wie Straßen, Schulen, Universitäten und Krankenhäuser stecken täten, dann müssten Menschen hier nicht von fünf Dollar am Tag leben und in verkommenen Hütten hausen.“

Die Politik Kambodschas funktioniert nach einem einfachen Modell: Wer das nötige Kleingeld hat, kauft sich in eine der Parteien ein, um sich dann von Gott und der Welt bestechen zu lassen, um das Zigfache des Investierten wiederzubekommen. Der Name der Partei spielt dabei keine große Rolle: Ob es nun die regierende Cambodian People Party (CPP) ist, die FUNCINPEC Partei des Prinzen Ranariddh oder die Partei des Sam Rainsy – alle wollen vom großen Kuchen von Kambodschas Schätzen profitieren. Sei es in Siem Reap, wenn es um die besten Plätze für Hotels geht, sei es bei Ausverkäufen von riesigen Landflächen an ausländische Unternehmen. Vor allem östlich des Mekong wurden Millionen Hektar Land an vietnamesische Firmen auf 99 Jahre verpachtet, die darauf Plantagen errichteten, wo unter vielen anderen auch Vater Krouch arbeitet. Bananen, Kautschuk oder Ölpalmen – das sind die Produkte, denen riesige Waldflächen wie zum Beispiel die einst dicht bewaldeten Provinzen Mondulkiri oder Ratanakiri zum Opfer gefallen sind.

Was unser Country Manager Phath Mey hier macht, sollte ein „Farang“, ein westlicher Reisender, tunlichst sein lassen, denn Wasserbüffel sind schnell und lassen sich leicht provozieren. Phath ködert das Tier für ein gutes Foto für unser Reisemagazin – aber er weiß auch, was er tut, denn unser kambodschanischer Partner ist auf dem Land im kleinen Dorf Prasat mit diesen Tieren aufgewachsen.

Der Wasserbüffel ist vielerorts noch ein wichtiges Tier für die Bauern Kambodschas. Vor allem beim Bestellen der Reisfelder ist es ein unersetzbares Zugtier für den Pflug. Was unser Country Manager Phath Mey hier macht, sollte ein „Farang“, ein westlicher Reisender, tunlichst sein lassen, denn Wasserbüffel sind schnell und lassen sich leicht provozieren. Phath ködert das Tier für ein gutes Foto für unser ReiseMagazin – aber er weiß auch, was er tut, denn unser kambodschanischer Partner ist auf dem Land im kleinen Dorf Prasat mit diesen Tieren aufgewachsen.

Wir erreichen Prasat, das kleine Einod am Tonle Toch-Fluss, wo unsere WORLD INSIGHT- Englischschule und Ökolodge liegt. Angesichts der Idylle verfliegt Phaths Ärger augenblicklich, das Thema Politik ist vom Tisch und Phath ist wieder der strahlende Kambodschaner, den jeder mag, der ihn kennt. Wir genießen den Sonnenuntergang, sprechen über Phaths Kindheit auf dem Land während des Indochina-Krieges, über seine Zeit in der DDR und später bei der UNTAC. Eine Geschichte, die ein Buch vom Umfang eines Murakami-Schmökers problemlos füllen könnte. Traurige Erlebnisse, wenn er vom Tod zweier Brüder unter Pol Pot berichtet, lustige, wenn er davon erzählt, wie er als junger Austauschstudent das erste Mal in der DDR eine westliche Toilette sah und auf ihre Brille stieg, um im Stehen auf sie herunter zu pinkeln.

So sitzen wir, bis das Sternenzelt in voller Pracht über uns schwebt und die Zikaden aufgehört haben zu zirpen – erst spät in der Nacht ziehen wir uns in die einfachen, aber behaglichen Bungalows unserer Ökolodge zurück: Ein angenehmer Wind weht durchs Moskitonetz, eine Klimaanlage gibt es nicht. Gemeinschaftsduschen und Toiletten sind unser einziger Luxus.

Tags darauf statten wir unserer Schule einen Besuch ab. Die Kinder sind fasziniert von unserer Kamera- und Filmausrüstung, posieren für die schönsten Bilder und geben sich beim Englisch lernen ganz besonders viel Mühe an diesem Tag. Wenn wir all die Freude sehen und in die lachenden Gesichter der Kids blicken, sind wir schon etwas stolz darauf, was wir hier auf die Beine gestellt haben.

Mittlerweile haben in dieser Schule mehr als 800 Mädchen und Jungen Englisch gelernt. Ohne diesen Sprachunterricht hätten sie keinerlei Chance auf eine weiterführende Schule oder gar auf eine Universität. Nach der Schule holen wir noch einen Ball hervor und spielen mit den Jungs und Mädchen etwas Volleyball, dann fahren die Kinder mit ihren viel zu großen klapprigen Fahrrädern nach Hause und winken uns dabei noch lange nach. Die Welt in Prasat ist zwar klein, doch an diesem Morgen erscheint sie uns als einzig wahrhaftig und in Ordnung.

Wir genießen den Sonnenuntergang, sprechen über Phaths Kindheit auf dem Land während des Indochina-Krieges…


Vorbei mit der Ruhe – Angkor

Siem Reap, Pub Street, 24 Uhr: Im „Angkor What?“ ist High Noon! Aus den Lautsprechern des Clubs dröhnt Eminem und junge Menschen aus aller Welt feiern sich und das Leben. Sie machen nicht nur das Lokal, sondern auch die Straße davor zur Tanzfläche. Dazwischen springen kleine kambodschanische Jungen und Mädchen umher, die eigentlich ins Bett gehörten und offensiv nach Dollars betteln. Mehr am Rand stehen die Tuk Tuk Fahrer, die darauf warten, dass die Nacht von Siem Reap die Betrunkenen nach und nach in ihre Hotels, Gästehäuser oder Massagesalons entlässt.

Wer nicht so cool ist (oder nicht so jung), der ist zu diesem Zeitpunkt noch im „Red Piano“ (dem Club, wo schon Angelina Jolie verkehrte) oder im FCC (Foreign Exchange Correspondents Club, der zu Zeiten der Indochina-Kriege in Siem Reap jedoch nie existierte!) und schlürft an einem Cocktail. Eine weitere (und wohl die größte) Gruppe, in erster Linie noch ältere Menschen oder Gruppenreisende aus Fernost, sind zu diesem Zeitpunkt schon im Bett, um pünktlich zur Morgendämmerung vor den Toren Angkors zu stehen und so die Tempel laut Baedeker-Reiseführer (es gibt ihn noch!) „im schönsten Licht“ zu erleben. Wir gehören zu einer vierten Gruppe: Die nicht jungen, die dennoch im „Angkor What?“ waren und dennoch zum Sonnenaufgang mit dem Fahrrad „le petit circuit“ fahren, der auf seinem Rundkurs unter anderem die Top-Tempel Angkor Wat, den Bayon und Ta Prohm beinhaltet.

Die Tempel von Angkor lassen sich problemlos mit dem Fahrrad entdecken. Wenn es nicht zu heiß ist, machen wir das bei einigen unserer Kambodscha-AktivPlusReisen auch mit unseren Gruppen.

Die Tempel von Angkor lassen sich problemlos mit dem Fahrrad entdecken. Wenn es nicht zu heiß ist, machen wir das bei einigen unserer “Kambodscha aktivPlus”-Reisen auch mit unseren Gruppen.

Viel ist über diese Bauwerke geschrieben worden, noch mehr geschwärmt. Und, weiß Gott, sie sind jede dieser romantischen Beschreibungen wert! Ich bin mittlerweile zehnmal dagewesen und immer wieder sind die Tempel für mich faszinierend: Die 136 Gesichter des Bodhisattva Lokeshvara, der vom Bayon-Tempel in alle Himmelsrichtungen blickt, um das Volk der Khmer vor Angreifern zu schützen, das unglaublich schöne Angkor Wat, das ich noch zu Zeiten der Roten Khmer kenne, wo sich die wenigen mutigen Reisenden noch per Handschlag begrüßten, die Terrasse des Leprakönigs mit ihren phantastischen Basreliefs oder der wunderschöne „Tempel der Frauen“ (Banteay Srei) mit Steinmetzarbeiten, die wohl einmalig auf der Welt sind.

Man könnte nun endlos über die Gottkönige Angkors plaudern, über den sagenhaften König Suryavarman II. oder den Lepra-König, Jayavarman VII. Man könnte sich über die verschiedenen Baustile auslassen, Roulus, Baphuon oder den Lolei-Stil und Ihnen vom Synkretismus erzählen. Man kann es aber auch sein lassen und es unseren wunderbaren Reiseleiterinnen und Reiseleitern überlassen, die Ihnen all das auf einer unserer Touren viel lebendiger und spannender erklären können. Lassen Sie uns deshalb lieber von einem kleinen Lehmpfad erzählen, der etwa dreißig Kilometer außerhalb Angkors liegt und an dem glücklicherweise fast alle Touristenbusse vorbeirasen (außer die von WORLD INSIGHT), um schnellstmöglich nach Siem Reap zu kommen, weil ihnen für die Besichtigung Angkors gerade einmal zwei Tage zur Verfügung stehen (bei unseren Touren sind es meist 3-4 Tage!).

Eines der schönsten Erbe von König Jayavarman VII: Der Bayon-Tempel

Eines der schönsten Erbe von König Jayavarman VII: Der Bayon-Tempel

Es ist eine andere Welt, die sich da entlang dieser kleinen Lehmstraße auftut. Es ist eine Welt, wie sie zu Zeiten der Gottkönige vor 1000 Jahren hätte sein können und der französische Maler Gauguin würde hier auch heute noch jene phantastischen Motive vorfinden, die ihn einst in die Südsee gelockt haben: Eine Welt, wo Hütten aus Palmblättern auf Stelzen stehen, wo drahtige Männer riesige Lasten tragen, wo natürlich schöne Frauen Holzscheide errichten, um darauf „Amok“ zu kochen, wo Kinder nackt durch die Gärten laufen und mit Kokosnüssen spielen, wo Wasser aus tiefen Brunnen geschöpft wird, wo sich Wasserbüffel im Schlamm der grünen Reisfelder aalen, wo Bananen- oder Papayastauden bis zum Boden hängen, wo Baumgeister wie der „Neak Ta“ herrschen oder Bodengeister wie der Krung Bali und wo das Lachen keinen Fernseher und kein Radio übertönen muss. Es ist eine völlig andere Welt, als die des „Angkor Whats?“ und des Herrn Eminem nur 30 Kilometer Luftlinie entfernt und, Gott sei Dank, von fast zwei Millionen Reisenden pro Jahr völlig übersehen!

Eine Welt, wo Hütten aus Palmblättern auf Stelzen stehen, wo drahtige Männer riesige Lasten tragen.

Kampong Chhnang liegt malerisch am Ufer des Tonle Sap. Die Menschen leben überwiegend vom Fischfang. Weil es in den einfachen Hütten keinen Strom gibt, muss der Fisch direkt nach dem Fang geräuchert werden.

Kampong Chhnang liegt malerisch am Ufer des Tonle Sap. Die Menschen leben überwiegend vom Fischfang. Weil es in den einfachen Hütten keinen Strom gibt, muss der Fisch direkt nach dem Fang geräuchert werden.


Kunst und Fisch

"Es ist ein Knochenjob" klagt Steinmetz Liam

“Es ist ein Knochenjob” klagt Steinmetz Liam

Viele der herrlichen Buddhafiguren, Nagas, Ganeshas, Vishnus oder Hansas, die man in den Hotels von Siem Reap sieht oder die man in Souvenirshops der Stadt kaufen kann, entstehen in dem kleinen Künstlerdorf Samnak. Was auf den ersten Blick romantisch klingt (Künstlerdorf) ist in Wahrheit eine Siedlung wie jede andere auch in Kambodscha: Das Zentrum bildet eine staubige Überlandstraße, die von gesichtslosen, schmalen zwei- bis dreistöckigen Häusern flankiert werden. Dazwischen finden sich kleine Kaufläden aus Holz, die alles Notwendige für den täglichen Bedarf abdecken. Palmenhaine zieren ebenso den Straßenrand wie baufällige Masten, an denen abenteuerliche Kabelkonstruktionen hängen, die auf irgendeine Art und Weise Strom von A nach B bringen sollen.

Und Strom braucht Steinmetz Liam für seine Arbeit, um aus den teilweise bis zu drei Meter hohen Steinblöcken eine Buddhastatue zu meißeln und zu schleifen. „Es ist ein Knochenjob“, klagt er. Nicht nur das ständige Hämmern und Schlagen, um das Material zu bearbeiten, wirke zermürbend, das schlimmste sei vor allem der Staub, wenn er den Feinschliff vornimmt, meint er. Und was auf unseren Fotos so malerisch aussieht, wenn dieser Staub im Licht der untergehenden Abendsonne das Bild so romantisch verklärt, ist für die Männer ein Gesundheitsrisiko, dem auch mit einem Mundschutz nicht völlig beizukommen ist.

An einer großen Statue arbeitet Liam schon mal mehrere Monate, die Kleinen sind binnen Tagen fertig. Dann werden sie an die Läden in Phnom Penh oder Siem Reap verkauft, um dort für einen deutlich höheren Preis über den Ladentisch zu gehen. Nein, an einer Schule habe er keinen Unterricht genommen, um die Kunst zu erlernen, erklärt Liam, das Handwerk werde von Generation zu Generation weitergegeben. Und weil der junge introvertierte Mann lieber zu Hämmern greift als zu sprechen scheint, wendet er sich nach einem großen Schluck Zuckerrohrschnaps, den er mit einem Strohhalm aus einer Plastiktüte saugt, wieder seiner Arbeit und einem großen, noch unbehauenen Stein zu, mit dem wir ihn alleine lassen, um nach Kampong Chhnang, der letzten Station unserer Tour, weiterzureisen.

Kampong Chhnang

Kampong Chhnang

Wir wollen ein so genanntes „schwimmendes Dorf“ besuchen. Weil im Februar der Wasserstand des Tonle-Sap-Flusses extrem niedrig ist, schweben die Stelzenhäuser bis zu 10 Meter über dem Erdboden und eine Bambusbrücke, die wie ein klappriges Skelett wirkt, überspannt das Rinnsal eines Baches, das zur Regenzeit zum Fluss anschwillt und die Häuser mit Wasser umspült. In den Stelzhäusern von Kampong Chhnang dreht sich alles um Fisch – und weil die Menschen hier weder Strom noch Kühlung haben, wird der frische Fang direkt geräuchert, um ihn zu konservieren.

Wieder einmal lösen wir bei den Einheimischen viel Gelächter aus. Man ist es einfach nicht gewohnt, so viel Beachtung geschenkt zu bekommen. Und dass eine alte Frau, die gerade Fisch räuchert, von Martin mit zwölf Bildern pro Sekunde festgehalten wird, um den besten Gesichtsausdruck zu erhaschen, verstehen die herumsitzenden Männer und Frauen einfach nicht. Wieder einmal bleiben wir viel länger als geplant, denn im Licht der Abendsonne finden wir im Dorf unzählige malerische Fotomotive: Die Menschen, die die Fische räuchern, Großväter, die mit ihren Enkeln spielen, Mopeds, die mit sieben Menschen besetzt sind, alte Frauen, die Wolle spinnen, Fischer, die hinaus auf den Tonle Sap-Fluss fahren, Frauen, die vollbepackt mit Waren auf dem Kopf kunstvoll über die Brücke balancieren. Und immer schenkt man uns ein Lächeln.

Kunst und Fisch6

…dass eine alte Frau, die gerade Fisch räuchert, von Martin mit zwölf Bildern pro Sekunde festgehalten wird, um den besten Gesichtsausdruck zu erhaschen, verstehen die herum­sitzenden Männer und Frauen einfach nicht

 

Bunsan hat Recht: Angkor ist wunderschön, aber das wahre Highlight des Landes sind die Menschen. Bunsan, dieser rationale kluge Kambodschaner, den wir dennoch nicht immer ganz verstehen – aber Kambodscha wäre auch nur halb so schön, wenn wir es völlig durchschauen würden.

 

Landbevoelkerung bei Siem Reap

Und immer schenkt man uns ein Lächeln…!

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