Ein sehr persönlich gehaltener Erlebnisbericht unserer Reisenden Helmut und Ursula Renner über ihre Reise im November in ein faszinierendes Land, in dem Traditionelles und Modernes harmonisch aufeinandertreffen.
Einkaufen im Suk
Den ersten richtigen Eindruck, in einer arabischen Welt angekommen zu sein, erhielten wir im Suk von Amman. Ein Gedränge, ein Geschrei, ein Gewirr von lauten Stimmen und eine ungeheure Fülle von Obst und Gemüse, Gewürzen und Steinfrüchten, insbesondere Datteln. Meine Leidenschaft dafür ließ mich gleich am ersten Stand ein Kilo Datteln kaufen, die ich während des Suk-Besuchs gegen den ärgsten Hunger aß. Das Feilbieten ihrer Waren in voller Lautstärke, wobei jeder einzelne der Händler versucht, den anderen zu übertreffen, dröhnt in den Ohren, wenn man unmittelbar davorsteht. Nachdem ich meine frischen Datteln in einem dunklen Plastiksäckchen in der Hand hielt, bot ich dem Ersten an, sich von den Datteln zu nehmen. Ich erhielt dafür ein Lächeln und ein freundliches „Shukran“ verbunden mit der Geste, die rechte Hand ans Herz zu halten und mit einem leichten Kopfnicken den Dankesgruß zu beenden.
Daraufhin war eine gewisse Zeit Ruhe, weil der Verkäufer damit beschäftigt war, mein Geschenk zu kauen und den Kern der Dattel abzulutschen, und ihn dann zu entfernen. Nach diesem ersten erfreulichen Erfolg meines Schachzugs wendete ich diese Taktik noch mehrmals bei den lautesten Marktschreiern an und hatte jedes Mal den gleichen Erfolg und die gleichen Gesten des Dankes, manchmal begleitet von einem „Thank You“ oder sogar einem „Dankeschön“.
Ich fragte auch unseren Reiseleiter Mohammed, wie Datteln eigentlich wachsen würden, und er erklärte mir freundlichst, es seien die Dattelpalmen, auf denen diese fleischigen Steinfrüchte in großen Fruchtständen in Traubenform hängen und somit relativ leicht geerntet werden können. Sie seien außerdem sehr nahrhaft und überaus gesund, und es gäbe zahlreiche Varianten, sodass ihre Fruchtfarbe von Rot bis Schwarz und ihr Geschmack von sehr süßlich bis zu Karamell variiert. Für mich eine paradiesische Frucht, die mir den Hunger stillt und Kraft gibt, zumindest bilde ich mir das ein.
Wie Jordanien regiert wird
Interessante Konstellation der politischen Organisation des Königreiches Jordanien. Nach der Verfassung von 1952 ist Jordanien eine konstitutionelle Monarchie der haschemitischen Dynastie, die eine Abstammung des Propheten Mohammed beansprucht. Das Parlament besteht aus dem Abgeordnetenhaus und dem Senat. Vertreter der ethnischen oder Volksgruppen haben gemäß ihrem prozentualen Anteil fixe Plätze im Parlament, z. B. sind 9 Sitze für Christen, 3 für Tscherkessen und – auch bemerkenswert, 6 Sitze für Frauen reserviert.
Eine Besonderheit ist auch, dass im Senat 15 Plätze reserviert sind, und zwar ausschließlich für Jordanier und Jordanierinnen, die der König persönlich nominiert. Diese Vertreter des Königs müssen aber in ihrem Leben eine besondere Leistung vollbracht haben, sei es als ehemalige Minister, als Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, der Wirtschaft, des Rechts, als Ärzte, sozial Engagierte usw. Dazu das leicht ironische Zitat unseres Reiseleiters Mohammed „das sind Leute, die wirklich was geleistet haben, und dann gibt es noch die Abgeordneten im Parlament, die alle 4 Jahre vom Volk gewählt werden“.
Getränke
Unsere Anreise nach Amman begann um 08:00 Uhr morgens in Kirchdorf an der Krems in Oberösterreich, dann mit dem Zug nach Wien und Ankunft um 11:00 am Flughafen Schwechat. 2,5 Stunden bis zum Abflug hatten wir zu überbrücken. Ein gutes Bier vom Fass sollte uns dabei helfen. Allerdings war es wieder einmal der Mund-Nasenschutz, der uns zum Verhängnis wurde. Lässig am Ellbogen befestigt verhängte sich Ursula mit der Gesichtsmaske an der Ecke des Tisches, auf dem unser Ottakringer mit schönem Schaumhäubchen auf uns Durstige wartete. Wie es sich gehört, wollte ich Ursula zuprosten, sie verfing sich aber an der Tischecke und das Bier ergoss sich über meine einzige Hose für den Flug, da ja die Koffer schon aufgegeben waren. Beschämt über die gut sichtbare Nässe in meinem Schritt und den ganzen linken Oberschenkel entlang, schlängelte ich mich durch die Tischreihen zur Toilette, um das Bier etwas herauszuwaschen. Beim Zurückkommen war der Fleck natürlich noch größer und meine Verlegenheit ebenfalls. Geruchstechnisch hinterließ ich ebenfalls einen starken Eindruck.
Endlich, 12 Stunden nach unserer Abreise von zu Hause, im Hotel in Ammann angekommen und wiederum beinahe dehydriert vom Flug, von der Wartezeit auf unser Visum, sowie von der über 30 km langen Fahrt vom Flughafen in das Hotelviertel, versuchte ich bei einem ‚maskierten‘ Kellner mein Glück, um auf Englisch ein Bier zu bestellen. Der Dialog verlief folgendermaßen: „Do you also have beer?“ – “Yes, Visa” – “Can I order a beer” – “Yes, Sir, Visa” – Ok, I see, I can pay with credit card, so please 4 beers.” – ”Yes, no problem, Visa”. Die Biere wurden serviert, das heißt, die Dosen wurden auf den Tisch gestellt. Jeder von uns kostete gierig. Es hatte einen unheimliche Malzgeschmack und war – natürlich – ein sogenanntes ‚Virgin – Beer‘ – also alkoholfrei und ehrlich gesagt, wirklich kein Genuss.
In Jerash, einer der Städte der berühmten Dekapolis (die 10 bedeutendsten Städte) konnten wir nach der Besichtigung des Artemis Tempels mit seinen Säulen und den wunderschönen Kapitellen eine herrliche Tasse Tee genießen. Minzblätter wurden mit dampfend heißem Wasser aufgegossen und verliehen dem Tee einen fantastischen Geschmack. Wir saßen inmitten der Säulen des Artemistempels, und genossen den aromatischen Tee sowie den Ausblick auf die immense antike Anlage. Es folgten noch viele schöne Tee-Erfahrungen, mit unterschiedlichsten Zubereitungen, Thymiantee, Salbei (beim Bari Hamida-Frauenprojekt, einer Teppichweberei), oder zubereitet aus selbst gepflückten Blättern die links und rechts am Weg unserer wunderschönen Wanderung im Wadi Dana wachsen.
Aber nichtsdestotrotz baten wir Mohammed bei der Rückfahrt ins Hotel, nach dem Besuch des Suk und dem Abendessen in einem sehr bekannten Falafel-Restaurant, in dem wir die Kunst des Essens ohne Besteck, also mithilfe des Fladenbrots erlernten, um die Möglichkeit, echtes Bier einkaufen zu können. Der 50-Sitzer Reisebus hielt vor einem Liquid-Shop an, mein Schwager Christian und ich stürmten in das Geschäft und fragten die Bedienung nach Bier. Er gab uns 1 Bier, worauf ich sagte, nein, bitte 2 und noch 2 für Chris. – Der junge Mann: „So, 4 beers for you? Hihihi“.
Zurück im Bus, spendete uns Mohammed wieder aus seiner Sprüchesammlung den Satz: „Wo trinkt ihr das? Aber, egal. das ist nicht mein Bier“. Dann kamen wir auf die Fülle von Sprichwörtern im Deutschen zu sprechen, deren Erklärung im Arabischen sehr schwer und fast unmöglich ist. Ich sagte dann: „Und wenn du es erklärst, kennt sich kein Schwein aus“, darauf Mohammed nach kurzer Nachdenkpause: „Pass du mal auf, dass du heute Abend nicht die Sau rauslässt“. Es war einfach köstlich, dies gerade aus dem Munde eines Jordaniers zu hören. Und in dieser Art ging es während der gesamten Reise weiter, wobei sich Mohammed als wahrer Meister deutscher Sprichwörter und Wortspiele entpuppte.
Das Wadi Mujib
Als eifriger Karl May Leser – ich hatte ja circa 20 Karl May Bände gelesen – war mir ein Wadi als Begriff geläufig. Immerhin erwähnt Karl May in seinem Sammelband ‚Durch die Wüste‘ verschiedenste Wadis. Er berief sich dabei auf alte Landkarten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts und entwickelte rund um die Landkarten und diverse Reisebeschreibungen seine faszinierenden Geschichten, ohne jemals in einem dieser Gegenden gewesen zu sein.
Nach seinen Beschreibungen entstand in meinem Kopf ein bestimmtes Bild eines Wadis, eine Art Tal, in dem sich die Schurken leicht verstecken und auch leben konnten, da es meist Wasserläufe waren, die das Wadi noch dazu fruchtbar machten. Nun hatten wir das Glück, dass das im Programm beschriebene Wadi Al Mujib, das am niedrigsten gelegene Naturreservat der Welt (seine Mündung ins Tote Meer liegt auf minus 410 Meter) im November noch geöffnet war und dies nur, weil ausnahmsweise seit Mai noch kein Tropfen Regen gefallen ist. Nach Regenfällen ist es immer ab Ende Oktober geschlossen, weil unheimliche Wassermengen durch die enge Schlucht schießen und ein Begehen des Wadis mehr als lebensgefährlich ist.
Sanft schlendert man zuerst im wenige Zentimeter tiefen Wasser in das Innere des Wadis. Bereits hier faszinieren die abgeschliffenen Formen. Das Wadi wird immer enger, und das Wasser steigt ständig an. Dann heißt es Schwimmen und sich am Seil gegen die Strömung ankämpfend bis zum nächsten Felsen vorkämpfen, den man wieder auf allen Vieren oder sich am Hanfseil hochziehend überwinden muss. Man bemüht sich, neben dem Suchen nach Haltegriffen und Vertiefungen für den nächsten Schritt, die steilen Felswände zu bewundern, deren Formen durch jahrtausendelanges Schleifen des Wassers entstanden sind und faszinierende geologische Schichten freigelegt haben. Die Farben variieren von Hellgrau über Ocker, bis Rötlich und verlaufen wellenförmig. Manchmal erinnerten mich Ausschnitte an Gemälde, die mein Schwager Christian aus Sand unterschiedlichster Farben geschaffen hat. Die engsten Stellen sind nur 2 Meter breit und die Wände erheben sich links und rechts bis 150 Meter, wobei man beim Blick nach oben nur einen ganz kleinen Ausschnitt des tiefblauen Himmels erhaschen kann. Das Wadi ist insgesamt 40 Km lang, der Anfang liegt hoch, auf über 600 m. Seehöhe, d.h. es fließt 1.000 m bergab, bis es das Tote Meer dort erreicht, wo wir eingestiegen sind.
In dem Fluss leben die so genannten Garra Rufa, die Saugbarben. Zuerst dachte ich, es gäbe hier Schlingpflanzen, da sich um meine Beine herum ständig etwas bewegte, das ich allerdings nicht zu fassen bekam. Jedes Mal, wenn ich meine Hand an die Stellen führte, um die vermeintlichen Schlingpflanzen von meinen Beinen zu entfernen, griff ich ins Leere. Dann sah ich sie, die kleinen, ca. 3 bis 8 cm. großen Fischlein. Sie knabberten an unseren Beinen und Füßen, kaum hielten wir kurz die Beine still im Wasser. Ihre Leidenschaft und Nahrung ist unter anderem, die Hautschuppen und Hornhautreste der menschlichen Eindringlinge abzulösen und zu verspeisen. Ein absolut fremdartiges Gefühl, wenn an die 20 bis 30 Fische an dir herumknabbern, und zwar gerade in dem Moment, in dem du hoch konzentriert den nächsten Schritt auf einen kleinen Felsvorsprung, den nächsten Griff nach dem Seil oder eine Eisenhalterung ansetzt, während du gegen die Strömung ankämpfst, die dir permanent die Füße auf dem glitschigen Untergrund wegzieht.
Es gab zudem auch Stellen, die leicht überhängend waren und man sich nur durch Hochziehen am Seil halten konntet. Am faszinierendsten war auf der einen Seite das Ende des begehbaren Wadis mit seinem prasselnden Wasserfall, den wir durchqueren mussten, um in die dahinterliegende Felsnische zu gelangen. Das Wasser stürzt dort aus 30 Metern Höhe herab und verpasst einem eine kräftige Kopfmassage. Der Blick hinaus durch den Schleier des Wasserfalls entschädigt dich für den teilweise mühsamen Aufstieg. Auf der anderen Seite gibt es einen Felsvorsprung, den man über Eisenhaken erklimmen muss. Um von oben wieder hinunterzukommen, bietet sich eine schmale Rinne an, die man hinunterrutscht, bis man schließlich im freien Fall, mehr oder weniger unkontrolliert, über 3 Meter im freien Fall in das darunterliegende Becken stürzt.
Dieses Abenteuer hat natürlich auch mein Bild eines Wadis total verändert. In Karl Mays ‚Der Schut‘ wird in dieser orientalischen Erzählung der Oberschurke von Kara Ben Nemsi verfolgt und es kommt zu einer wilden Verfolgungsjagd zu Pferde. Nun muss man wissen, dass das Pferd Kara Ben Nemsis auf den Namen ‚Rih‘ hörte und nicht nur das, sondern in brenzligen Situationen, in denen es auf Geschwindigkeit ankam, sozusagen noch einen Turbogang einlegen konnte, wenn Kara Ben Nemsi ihm ins Ohr flüsterte: „Rih, Rih, lauf…!“. Im Laufe der Verfolgungsjagd kommen beide Reiter gefährlich nahe an ein tiefes Wadi. Der Schut versucht noch eine passende Stelle zum Überspringen des Wadis zu finden, galoppiert in vollem Lauf auf die Schlucht zu, das Pferd hebt ab, aber erreicht samt seinem Reiter das andere Ende, den sicher Grund nicht und so stürzen Pferd und Reiter 100 Meter in die Tiefe. Kara Ben Nemsi ist ihm so dicht auf den Fersen, dass er vor der Schlucht nicht mehr anhalten kann. Er flüstert aber im letzten Moment seinem Pferd ins Ohr: „Rih, Rih, lauf!“, worauf das Pferd die Geschwindigkeit erhöht, wegspringt und gerade noch das Wadi überquert und Kara Ben Nemsi auf der anderen Seite sicher ankommt. Er blickt dann noch zurück in das Wadi, aber der Oberschurke Schut und sein Pferd sind verschwunden. Das ist das Ende des Schut. Erst jetzt nach 60 Jahren kann ich mir konkret vorstellen, dass es möglich ist, mit einem Pferd ein Wadi zu überspringen, jetzt, da ich einen Teil des Wadi Mujib durchwandert, durchschwommen und durchklettert und die Enge der Schlucht miterlebt habe.
Essen
Was macht das Reisen neben dem Sehen, Erleben und den Kontakten mit fremden Menschen und Kulturen noch aus? Im Spanischen sagt man zum Tapetenwechsel ‚cambiar de ambiente‘, im Französischen wechselt man gleich die Ausstattung des Hauses oder der Wohnung: „changer de décor“. Es kommt für uns noch etwas Wesentliches dazu: die Art der Verpflegung, das Zubereiten der Speisen, das Würzen der Gerichte und selbst die Art und Weise zu essen.
In Jordanien wird, wie in anderen Islamischen oder afrikanischen Ländern, oder auch im Fernen Osten hauptsächlich mit der rechten Hand gegessen. Das Ergreifen der Speisen mit einem Stück „Shrak“ der extrem dünnen Fladenbrotsorte aus Jordanien, unseren Palatschinken oder den bretonischen Galette in der Form ähnlich, sieht bei den Einheimischen total einfach aus. Probiert man es selbst, hat man entweder fast nichts erwischt oder aber die Finger voll mit Soße, sodass man mit dem Abwischen kaum fertig wird. Übrigens wird diese Sorte Brot, wie uns Mohammed erklärte, auch Aish genannt, wobei die wörtliche Übersetzung von ‚Aish‘ im Arabischen ‚Leben‘, bedeutet im Dialekt auch Brot. Wenn man allerdings, so wie wir einige Male, ein Picknick organisiert, ist es am einfachsten, sich aus dem dünnen Shrak eine Rolle zu machen, die dann, ähnlich den Tacos, mit allem, was zur Verfügung steht, gefüllt wird.
In Jordanien begleitet praktisch jede Speise Joghurt oder herrlicher Humus aus Kichererbsen, verfeinert mit verschiedenen Gewürzen, oft auch bunte Salatmischungen, meist mit schmackhaften, jordanischen Tomaten, die hier in Unmengen wachsen, fein geschnittenen Paprika, roten Zwiebel und Gurken würfelig geschnitten und mit Olivenöl mariniert. Der Clou sind aber die Gewürze, die immer wieder ein anderes Aroma geben, manchmal scharf, ein andermal mild aber mit einer besonderen Note. Dazu Ziegen- oder Schafskäse und eine Gabel oder einen Löffel voll Reis, erfrischend und köstlich.
Von Amman aus fuhren wir am Morgen unseres ersten Tages in Jordanien gleich nach Jerash, durchstreiften die immensen römischen Anlagen, die durch ein gewaltiges Erdbeben im 8. Jh. n. Chr. zerstört und erst ab 1925 durch Ausgrabungen entdeckt wurden und wovon heute große Teile unter Schutt und Sand verborgen liegen. Nach unserer Rückkehr nach Amman und der überaus interessanten Besichtigungstour, knurrte uns bereits der leere Magen, bevor wir im traditionellen Falafel-Restaurant einkehrten. Ob es unser Hunger war, oder ob die reichlich kredenzten Falafel wirklich so ausgezeichnet zubereitet wurden, lässt sich rückblickend schwer beurteilen, jedenfalls wurden uns ständig diese köstlichen, aus Kichererbsen, Zwiebeln, Knoblauch, Koriander und ‚Cumin‘ (Kreuzkümmel) hergestellten Bällchen nachgereicht. Dazu gab es das jordanische Fladenbrot (Shrak), Humus, Salate, Gemüse und Minztee. ‚Hunger ist der beste Koch‘, lies Mohammed verlauten, womit er auch wieder einmal recht hatte.
In der Nähe von Azraq lernten wir im Privathaus einer Drusenfamilie das sogenannte Bukhari (im übrigen Jordanien als Makhluba bekannt) kennen. Nach dem Essen wurde die Hausherrin und Köchin nach dem Rezept gefragt, worauf sie sagte, es sei ein Geheimnis. Wir rätselten also, was die Ingredienzen seien, worauf sie uns Teile des Rezepts verriet, allerdings nicht alle Gewürze. Zwiebeln, Karotten, Rosinen, Huhn und als Gewürze Kurkuma, Kreuzkümmel (Cumin) werden mit dem zuvor in Wasser eingeweichten Reis vermischt und dann sanft gekocht. Das Ganze wird vom Chef des Hauses gestürzt und sollte diese Tortenform bewahren. Zum Schluss werden von ihm noch gebratene Mandeln darübergestreut.
Ein besonderes Erlebnis war auch das Essen auf dem Boot, das uns im Roten Meer zu den Tauchplätzen führte. Ein Kohlengrill war steuerbords am Heck außerhalb als Kochstelle aufgeschweißt, direkt neben den Sauerstoffflaschen und Tauchanzügen. Darauf brieten marinierte Hühnerbrüste, deren Duft uns während der Fahrt schon das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen. Dazu gab es natürlich den erwähnten Salat und ein überbackenes Shrak, das mit kräftig gewürztem Lammfleisch gefüllt, brennheiß gegessen wird und Manakish genannt wird. Nach unserem anstrengenden Tauchgang würde ich diesen lukullischen Genuss am Schiff nicht für viel Geld gegen ein Nobelrestaurant eintauschen.
In Aqaba durften wir im Restaurant Suzana – endlich – nicht nur ein herrlich kühles, in Tonkrügen serviertes Bier, sondern auch unseren heiß ersehnten Fisch genießen, in einer, vermutlich, Sesamkruste mit Kurkuma aromatisiertem Reis und schmackhaftem Joghurt serviert. Bei einem unserer Spaziergänge in Aqaba haben wir uns am ‚echten‘ Markt ¼ Kilo Gewürzmischung zusammenstellen lassen, nachdem wir selbstverständlich zuerst mit Tee bewirtet wurden. Die Gewürze waren noch in ihrem Urzustand, also Blätter kleine Zweige, Blüten, Knospen etc., die in einer Gewürzmühle frisch gemahlen wurden. Wir kosteten die Mischung und stellten fest, dass es zwar sehr gut schmeckte, uns allerdings etwas Schärfe fehlte. Kein Problem, meinte der Händler, da geben wir einfach etwas Chili dazu. Er schüttelte das Säckchen durch und wir zahlten 4 Dinar (4,80 Euro) für ¼ kg feinster und edelster Gewürze.
Familie und Wohnen
Neugierig fragten wir Mohammed nach seiner Familie, und eine der ersten Fragen war, ob er mehrere Frauen hätte. Nein, nicht wir Männer fragten das, sondern insbesondere die Frauen waren an dieser Frage interessiert. Er antwortete, er habe 2 Frauen zu Hause, eine um die 30 und eine etwas ältere, sowie 3 Söhne. Damit war vorerst das Thema beendet und er überließ es uns, diese seine Antwort zu deuten. Nachdem wir sehr viele Frauen in Burka und manche mit einem Niqab vollverschleiert gesehen hatten, wäre es durchaus möglich gewesen, dass in Jordanien die Mehrfrauen -Ehe eher verbreitet ist, schließlich ist es laut Gesetz möglich, dass ein Mann bis zu 4 Frauen quasi sein Eigen nennt.
Rund um Amman wird unwahrscheinlich viel gebaut und die Häuser sind häufig 2 bis 4 Stockwerke hoch und relativ quadratisch. Ein Stockwerk besteht meist aus einer Wohnung, die allerdings mindestens 100 bis 120 m² groß ist, häufig aber noch viel größer, erklärte Mohammed. Die Familienstruktur mache eben große Wohnungen notwendig, weil die durchschnittliche Fruchtbarkeitsrate immer noch um die 2,6 ist. Dies ist allerdings eine Entwicklung der letzten Jahre, währenddessen 1980 die Kurve noch bei 7,50 lag. Daher bestanden die Wohnungen immer aus mehreren Schlafzimmern für Buben und Mädchen, mindestens 2 Badezimmern und einem Gästeteil, ebenfalls mit Badezimmer, sowie einem großen Familienraum.
Eine Besonderheit der Häuser ist die Möglichkeit, auf den ersten Stock jederzeit aufzubauen. Man sieht Eisenbewehrungen auf dem flachen Dach herausragen, wodurch viel Häuser den Eindruck machen, nicht fertig gebaut zu sein. Tatsächlich dient dies dazu, der nächsten Generation die Möglichkeit zu bieten, die Wohnung für ihre junge Familie direkt oberhalb des Elternhauses zu bauen. Allerdings hat sich die Familienstruktur total verändert, und die Kinder verlassen die Dörfer und ziehen meist in die Stadt. 79 % der über 10 Mio. Jordanier leben in städtischen Strukturen, wobei allein Amman mehr als 4 Mio. Einwohner zählt. Somit warten heutzutage die ein- bis zweistöckigen Gebäude umsonst auf den Aufbau und stehen mit Ihren Eisenzargen in der Landschaft, wie ein bewohnter Bahnhof einer aufgelassenen Bahnstrecke, der auf einen Zug hofft, der niemals kommt.
Nun sind aber auch in Jordanien, insbesondere in Stadtnähe, Wohnbauten geradezu explodiert. Damit einhergehend, sind die Wohnungen und die Familien auch kleiner geworden. Mohammed meinte, dass es fast unmöglich sei, 2 oder mehrere Frauen zu erhalten, wobei jeder Frau die gleiche Behandlung, die gleichen Geschenke und den gleichen Lebensstandard geboten werden muss. Er persönlich, kenne überhaupt keine Familie, in der Mehrfachehen existieren. Um ein halbwegs gehobenes Lebensniveau zu erreichen, in dem die Kinder auch studieren könnten, müssten ohnehin beide Elternteile verdienen, so sei es auch in ihrer Familie. Gute Bildung sei extrem teuer und nachdem man versucht, sowohl den Buben als auch den Mädchen ein Studium zu ermöglichen, seien zwangsläufig beide Elternteile berufstätig, erläuterte Mohammed.
Bei unserem Besuch im Wadi Musa, jenem Tal das Moses durchschritten haben und dort auf Wasser gestoßen sein soll, besuchten wir eine Beduinenfamilie in ihrem Zelt. Im Laufe des Gesprächs erfuhren wir vom Familienoberhaupt, dass er 2 Frauen habe, eine hier im Zelt und die zweite in der Ansiedlung Wadi Musa selbst, wo er auch ein Haus besitzt. Somit kannte Mohammed nun doch jemanden, der mehrere Frauen besaß, also auch vermögend sein musste, nämlich den besagten Beduinen.
Er sei ein reicher Mann, erklärte uns Mohammed, verkaufe auch Ziegen, wovon er aktuell 24 Stück besitze und sogar Kamele, die am Markt einen Preis von mehreren 1.000 Dinards erzielen können, wobei Rennkamele für Saudi-Arabien mit Preisen um die hunderttausenden Euros gehandelt werden. Einer seiner Söhne sah mich erwartungsvoll an und so richtete ich auf Englisch ein paar Fragen an ihn. Dabei erfuhr ich, dass er sehr wohl in der Schule Englisch lerne und mit dem Geländewagen in die Schule gefahren wurde. Auf mein Nachfragen, wie oft dies pro Woche geschehe, meinte er 2-mal, was also insgesamt eine relativ kurze Schulzeit bedeutet. Die Analphabetenrate beträgt in Jordanien bei Männern 4 und bei Frauen 14 Prozent.
Geologie
Ich fragte mich, wie es zu den engen Wadis und zu Felsformationen kam, die zwar unseren Schluchten nicht unähnlich, aber in ihrer Färbung einzigartig sind. Prachtvolle Farbbänder, nur wenige Zentimeter breit und meist wellenförmig entlang der Felsen verlaufend, wechseln mit ausgeschliffenen, abgerundeten Steintürmen mit einer Höhe von bis zu 250 Metern ab. Die extrem engen Wadis, die ins Tote Meer fließen, wie der Wadi Mujib, den wir durchwateten, durchschwammen und durchkletterten, entstanden vor etwa 20.000 Jahren. Zu dieser Zeit lag die gesamte Region noch unter dem Toten Meer.
Als der Wasserspiegel des Toten Meeres aufgrund klimatischer Veränderungen sank, wurde der Abfluss des Wadis durch Sedimente blockiert und der Fluss fraß sich immer tiefer in den Fels. Gleichzeitig, wobei der Begriff für unsere Verhältnisse etwas unpassend erscheint, wurden in Perioden immer wieder Mineralienschichten eingeschlossen, die dieses wunderbare Farbenspiel der Felsen schufen. Den Rest besorgten Winde und Sandstürme, um dem weichen Sandstein die bizarren Formen zu verleihen.
Das Wadi Rum hingegen ist ein Gebiet mit einer Länge von etwa 100 km und einer Breite von etwa 60 km und liegt auf etwa 800 m Höhe. Wir durchfuhren diese beeindruckende Landschaft mit Jeeps, und dies teilweise in halsbrecherischem Tempo. Wie konnte dieses Wadi gebildet werden? Die Erklärung ist verblüffend. Vor vielen Millionen Jahren wurde der Sand am Meeresboden mit unheimlichem Druck zu Sandsteinbergen zusammengepresst. Infolge tektonischer Verschiebungen wurden diese Berge an die Erdoberfläche gehoben.
Die nord-südlichen Wadis entstanden vor etwa 30 Millionen Jahren durch geologische Verwerfungen, durch eine Auffaltung, wobei 2 Gebirgsmassive auseinandergedrückt wurden und auf diese Weise tiefe Täler gebildet wurden, ebenso wie der Jordangraben, der Golf von Akaba und das Rote Meer, die alle auf der Bruchlinie des Ostafrikanischen Grabens (siehe Dallol in Äthiopien) liegen. Basalt oder Granit sind die Sockel, auf denen die oft roten Sandsteinfelsen, durch die Erosionswinde zu den jetzt bewunderten bizarren Formen geschliffen wurden. Kuppelförmige Stein-formationen krönen häufig beeindruckende Felsentürme, wie wir sie bei unserer Wanderung in Dana gesehen haben. Am faszinierenden war für uns das „Jabal Burdah“, eine natürliche Steinbrücke, die wir selbstverständlich erklimmen mussten.
Ein Land erwandern
Das Schöne an diesem Reiseprogramm war unter anderem die Möglichkeit zu Wandern, sei es in der Gruppe oder auch an den frei zu gestaltenden Tagen. Mit großem Vergnügen durften wir daher dem Wandertipp unseres Reiseleiters Mohammed folgend, eine Querfeldein Wanderung im Gebiet um Dana unternehmen. Unser eigens engagierter Naturparkführer zeigte uns Pfade mit engsten Durchgängen, vorbei an von Winden abgeschliffene Felsformationen, durch Büsche und Geröll, bis wir schließlich zu einem Picknickplatz gelangten, wo uns ein reichhaltiges Lunchpaket erwartete.
Von Petra aus gibt es eine mehrstündige, anspruchsvolle Wanderung über den Gebirgszug zum berühmten Opferplatz und zum hoch über dem Schatzhaus gelegenen Aussichtspunkt ‚High Place Petra View‘, vorbei am höchsten Punkt, an dem die jordanische Flagge, ähnlich unseren Gipfelkreuzen wehte. Wir waren froh, dass sich uns Omar, ein einheimischer Beduine, als Bergführer zu einem sehr fairen Preis anbot, uns auf die richtigen, oft versteckten Pfade zu bringen, was auch unseren beiden – eher bergunerfahrenen Begleitern eine gewisse Sicherheit gab.
Am meisten überrascht hat uns allerdings der Abstieg ins Wadi Farasah Ost, über senkrechte Wände, in die Stufen gehauen waren, die uns zu weiteren imposanten Steinhöhlen und monumentalen Grabstätten mit Bauten aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. führten. Wenngleich wir 6 Stunden marschierten, war diese Bergtour so abwechslungsreich, dass wir die Mühen des Auf- und Abstiegs, die gleißende Sonne und das Marschieren durch die Steinwüste im Wadi Farasah nicht als Qual, sondern als eine der schönsten gemeinsamen Wanderungen – es blieb nur meiner Frau und mir vorbehalten, dies erleben zu dürfen – empfanden. Nicht zu vergessen, die 2 -stündige Wüstenwanderung mit der Gruppe. Sie brachte uns das Erlebnis Wüste nahe und ließ uns, wie Kinder eine steile Düne abwärtslaufen, immer an der Grenze zu unfreiwilligen Überschlägen. Wir sind in diesen 2 Wochen laut meinem Mobiltelefon ca. 85 Km gegangen.
Arabische Zahlen und Schrift
Ein Glück, dass in Jordanien die meisten Inschriften Straßen-schilder und Namen der Geschäftslokale in Englisch angeschrieben sind. Unser beinahe allwissender Reiseleiter Mohammed nahm sich eines Abends die Zeit, uns eine kleine Einführung in die Entstehung der arabischen Zahlen zu geben, die wir ja auch verwenden. Demnach wurden die Zahlen derart geschrieben, dass man die Anzahl der Winkel zählte, die die Zahlen beinhalteten. Die Zahl 2 hat also 2 Winkel. Die Bilder zeigen die dazu passende Erläuterung durch Mohammed, von eins bis neun lässt sich das Schema klar erkennen, wobei die ‚0‘ rund und daher ohne Winkel ist.
Bei den Schriftzeichen konnten wir nur die exakte Linienführung und das Tempo bewundern, mit dem Mohammed unsere Namen und den kleinen Text verfasste. Es war uns kaum möglich, in der Folge Inschriften zu entziffern, da noch dazu kommt, dass die arabischen Buchstaben ihre Form verändern, je nachdem, ob sie am Anfang, in der Mitte oder am Ende eines Wortes stehen. Das war dann einfach zu viel für uns.
Vom Toten Meer ins Rote Meer
Biologisch tot, das heißt, es gibt kaum organische Verbindungen im Toten Meer, außer ein paar ganz hartnäckige Mikroorganismen und anaerobe Bakterien. Wir testeten natürlich das Phänomen des Toten Meeres, das ermöglicht, dass man praktisch nicht untergehen kann, sondern auf den Rücken gedreht wird, sobald man versucht zu schwimmen. Allerdings statt Schwimmen kann man gemütlich im Wasser liegen und – das ist ja bekannt – Zeitung lesen, sofern man eine hat.
Man sollte auch gar nicht versuchen sich auf den Bauch zu drehen, da unweigerlich das Salzwasser in Mund und – ganz unangenehm – in die Augen kommen kann. Auch sollte man nicht, wie wir es voller Übermut und die Schwerelosigkeit genießend machten, weit über eine Stunde im Wasser bleiben, da der Salzgehalt von über 30 % die Haut völlig austrocknet (geraten wird max. 15 min, was uns Mohammed allerdings erst nach dem Badetag verriet). Zusätzlich ließen wir uns den ganzen Körper mit dem Heilschlamm einbalsamieren, der unsere Haut aalglatt und schleimig werden ließ, aber nur so lange, bis der Schlamm eingetrocknet war. Dann war es eine fest klebrige Masse, die nur mit größter Mühe abwaschbar war.
In Aqaba ließ ich mich bei unserem Bootsausflug im Roten Meer zu einem Tauchgang überreden. Ohne allzu große Erwartungen, folgte ich den Erklärungen der Tauchlehrer, die mir, als relativ Unerfahrenem, die Regeln, die ich vor vielen Jahren in Bonaire von unserem ehemaligen Schüler Hagen erlernt hatte, wieder in Erinnerung riefen. Nach dem mühsamen Anziehen der Neopren Tauchanzüge, hieß es zunächst einmal Warten, da die Strömung an diesem regnerischen Tag (es regnet durchschnittlich nur 1- bis 2-mal im Jahr in Aqaba, aber genau an dem Tag unserer Bootsfahrt), zu stark war, um gefahrlos tauchen zu können. Als es schließlich, nach einer halbstündigen Fahrt in ruhigere Gewässer, so weit war, dass uns die Sauerstoffflasche umgehängt wurde, überfiel mich doch leichte Nervosität. Ab ins smaragdgrüne Wasser und ständig begleitet von einer Tauchlehrerin, erreichten wir nach kurzer Zeit eines der berühmten Korallenriffe.
Hätte ich nicht das Mundstück zwischen meinen Zähnen gehabt, wäre mir der Mund vor Erstaunen offengeblieben. Diese Vielfalt an Formen und Farben der Korallen, die bunten Fischschwärme, das unbeschreibliche Gefühl der Schwerelosigkeit, die Sicherheit, die mir meine Begleiterin gab, dies alles überwältigte mich. Es war ein Erlebnis, das ich unter keinen Umständen hätte missen wollen und dessen Bilder ich noch heute lebhaft vor meinen Augen habe. Das Aufeinandertreffen mit meiner Frau Ursula, die plötzlich und unerwartet oberhalb von mir auftauchte, das gemeinsame Tauchen Hand in Hand, das Durchqueren von Fischschwärmen nebeneinander, das Umkreisen von meterhohen Korallenbüschen, ich konnte nicht anders, als beim Auftauchen einen Jubelschrei der Begeisterung von mir zu geben.
Der Tauchgang vervollständigte noch diese überaus abwechslungsreiche Reise in den Vorderen Orient. Wir lernten Land und Leute, und sehr viel über die wechselvolle Geschichte und Kultur dieses Haschemiten Landes kennen, erlebten Abenteuerliches und sahen Landschaften und Kulturdenkmäler, die uns unvergessen bleiben werden.
Weiterführende Beiträge:
Rezept
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Ein süßer Einblick in die Küche Jordaniens
Kunafa ist eine süße Geschmacksexplosion aus Pistazien, Mozarella, Kadaif („Engelshaar“) und Rosenwasser, das im arabischen Raum traditionell als Dessert serviert wird.