Bei einer Rundreise durch das südliche Afrika fasziniert vor allem die einzigartige Natur- und Tierwelt Afrikas: so erlebte es auch unsere Reisende Karen. Aber es war noch viel mehr, was sie an der Reise so begeisterte.
Freitag, 11. November, bis Sonntag, 4. Dezember 2016
Zugegeben, meine Reise ins südliche Afrika ist nun bereits ein paar Tage her. Und ich habe lange überlegt, ob ich diesen Bericht überhaupt schreiben soll. Schließlich habe ich mich dafür entschieden. Um anderen wie mir Kraft zu geben. Um anderen wie mir Mut zu machen. Mit „anderen wie mir“ meine ich Menschen, die – wie ich – an Krebs erkrankt sind, aber niemals ihre Träume aus dem Blick verlieren. Denn: Es gibt einen Ort in unserer Seele, an dem wir unsere allergrößten Herzenswünsche aufbewahren. Wünsche, von denen wir glauben, dass unser Leben nicht komplett ist, wenn wir sie uns nicht erfüllen. Bei mir war es eine Abenteuerreise durch mehrere Länder Afrikas. Und so kam es, dass ich nach Chemotherapie und Bestrahlung meine zahlreichen Medikamente in den Koffer gepackt habe und mit meiner Tochter zu unserer Tour quer durch Namibia, Botswana und Simbabwe aufgebrochen bin. Zwar hatte ich auch dort mit Nebenwirkungen der Medikamente und teils fehlender Kraft zu kämpfen, aber wilde Tiere aus nächster Nähe zu beobachten, unbeschreiblich faszinierende Landschaften zu sehen und zahlreiche beeindruckende Volksgruppen zu treffen, entschädigte mich für alles.
Ganz besonders in Erinnerung geblieben ist mir unser Fahrer Ted – ein hünenhafter Schwarzafrikaner, etwa 1.95 Meter groß, breitschultrig, stets mit einem schelmischen Grinsen und einer tollen Geschichte über seine Heimatländer Simbabwe und Botswana auf den Lippen. Er war es auch, der uns am Flughafen begrüßte – etwa 60 Minuten später als den Rest der Reisegruppe, weil unser Gepäck auf dem falschen Band gelandet war. „Ich dachte schon, ihr wollt nicht mit. Morgen hätte ich nochmal geschaut, wenn ihr nicht in fünf Minuten aufgetaucht wärt“, hatte er gescherzt und uns beide gleichzeitig zur Begrüßung umarmt. Und so verlief die gesamte Rundreise: herzlich, hilfsbereit und stets hochinteressant.
So starteten wir direkt nach unserer Ankunft in die Gegend der leuchtend roten Kalahari, in der wir zusammen mit einer Gruppe San durch die Buschsavanne wanderten. Als echte Meister in Pflanzenkunde kennen sie über 100 Pflanzenarten, die essbar sind und finden problemlos Wurzeln, die Durst löschen. Auch zeigten uns die Männer und Frauen unterschiedliche Tierfährten vom Warzenschwein bis zum Kudu. Zum krönenden Abschluss durften wir mit den San auf dem Dorfplatz tanzen, bevor wir uns nach einem anstrengenden Anreisetag in unsere Zelte zurückzogen. Einen Großteil der Reise würden wir mit Camping und Selbstversorgung verbringen. Da die Reisegruppe mit nur acht Teilnehmern klein war und sich alle gut verstanden, machten die täglichen Aufgaben immer jede Menge Spaß. Zumindest als wir unserem Guide Marius endlich begreiflich gemacht hatten, dass man zum Nudelkochen erst das Wasser kocht und dann die Pasta hineingibt. Voilà: kein Nudelpamps mehr! Seine selbst gemachten Soßen und Teds famoses Grillfleisch werden mir aber auf ewig im Gedächtnis bleiben. Und für alle, die wirklich, wirklich, wirklich lecker in Namibia bei einzigartiger Atmosphäre essen wollen, zwei Tipps: Joes Beerhouse in Windhoek und Kücki’s Pub in Swakopmund. In beiden bekommt ihr riesige Portionen famos zubereitetes Wild von Krokodil über Zebra hin zu Springbock, Strauß und Kudu.
Über buckelige Pisten ging es schließlich Richtung Maun, von wo aus unsere Erlebnisreise ins Okavango-Delta starten sollten. Dort lernte ich Lektion 1: Wenn es im südlichen Afrika mal regnet, dann so richtig. Das Frühstück nahmen wir auf unseren Sitzen im geräumigen Truck ein, während Marius sämtliche Reiseagenturen vor Ort abtelefonierte. Wegen der Wetterlage war unklar, ob wir überhaupt mit dem traditionellen Fortbewegungsmittel, dem Mokoro (Einbaum), würden ins Delta fahren können*. Doch wir hatten Glück: Unsere Poler (Bootsmann) standen bereit und schoben die Mokoros mithilfe langer Stangen sicher durch das gigantische Labyrinth aus Kanälen ins Okavango-Delta.
Das ständige Auf und Ab vertrug ich leider in Kombination mit Medikamenten und Mittagshitze überhaupt nicht, sodass ich von der Überfahrt leider kaum etwas mitbekommen habe und die nächsten zwei Tage im Camp verbringen musste. Die traumhaften Aufnahmen meiner Tochter von der Pirschwanderung und dem unbeschreiblich schönen Sonnenuntergang, der die Palmen am Horizont in ein unwirklich strahlend weißes Licht tauchte, während rundherum alles rot und orange zu glühen schien, waren aber auch im Nachhinein wunderschön. Und die bildhaft-begeisterten Berichte vom Rest der Reisegruppe über ihre Ausflüge ließen mich die Touren nacherleben, als sei ich selbst dabei gewesen. Andersherum konnte ich aus dem Camp von einer elefantastischen Begegnung berichten. Direkt hinter unserem Buschklo bahnten sich zwei junge Elefantenbullen ihren Weg durch das Unterholz. Damit hatte ich ein waschechtes „Elefantenklo“ zu bieten, ohne extra dafür ins hessische Gießen fahren zu müssen 😉
Aber auch von allen anderen tierischen Begegnungen werde ich noch über Jahre hinweg zehren können. An den Victoria Falls hatte mir ein dreister Affe doch glatt in einem unachtsamen Moment meine Tüte Essig-Chips aus dem Rucksack geklaut – sehr zur Belustigung meiner Tochter.
Im Chobe Nationalpark, der einen der größten Tierbestände auf dem afrikanischen Kontinent beherbergt, kreuzte eine Riesengruppe Paviane die Straße; nur einige Meter weiter durchstreiften ein paar Kudu-Böcke und Impalas das sandige Buschgelände. Hinzu kamen gigantische Büffelherden direkt am Wasser und einige Hippos, die sich ebenfalls am kühlen Nass tummelten. Als wir eine Springbock-Mama mit einem nur wenige Tage alten Jungtier entdeckten, war die Tour perfekt. Als wir gerade auf dem Rückweg waren, schoss unser Tagesguide Walter plötzlich wie von der Tarantel gestochen los. Ein Kollege hatte über Funk eine Leopardensichtung durchgegeben. Doch als wir an der besagten Stelle eintrafen, war die Großkatze von Lärm und Touristen aufgeschreckt, schon längst wieder im tiefen Dickicht verschwunden und machte auch nicht die geringsten Anstalten, nochmal hervorzukommen. Aber: den Versuch war’s wert. In Etosha, wo uns nachts in den Zelten abermals ein kräftiger Regenguss überraschte, gelangen uns dennoch unzählige Schnappschüsse von Zebras, Gnus, Giraffen und Impalas aus nächster Nähe am Wegesrand. Auch die Fata Morganen, die sich am Horizont spiegelten, waren überaus eindrucksvoll, denn sie gaukelten täuschend echt einen großen See in der Ferne vor. Schließlich erhaschten wir am Wasserloch sogar einen Blick auf zwei kämpfende Rhinozerosse.
Über eine mit Schlaglöchern übersäte Sandstraße erreichten wir etwa in der Mitte unserer Erlebnisreise die n’Kkwazi Lodge am Cubango-Fluss in der Nähe von Rundu. Von den ausladenden Hütten aus konnte man direkt nach Angola schauen, denn der Fluss bildet die Grenze zum Nachbarland. Unzählige Vogel- und Insektenarten galt es hier zu entdecken, bevor wir das bislang beste Abendessen unserer Reise genossen: Braai (Grillfleisch), Mealiepap (sehr fester Maisbrei) und Rote-Beete-Salat. Für eine unserer Mitreisenden, die ihren 70. Geburtstag feierte, hatten sich die Lodge-Mitarbeiterinnen etwas ganz Besonderes einfallen lassen: Trotz mehrfachem Stromausfall beim Backen gab es einen tollen Schoko-Vanille-Kuchen inklusive Kerzen und obendrauf ein Geburtstagsständchen auf Oshivambo.
Der Besuch bei den Himba kam mir persönlich leider ein wenig vor wie ein Besuch im Kuriositätenkabinett. Die dortigen Himba hatten den Tourismus für sich als Geschäftsmodell entdeckt – ganz anders als die authentischen San am Beginn der Reise. Dieses Erlebnis blieb aber neben all den eindrucksvollen Begegnungen der einzige Negativpunkt der Rundreise**. Ganz liebevoll-authentisch hingegen war die schrullige Betreiberin des Porcupine Rest Camp in Kamanjab, die permanent Sprüche brachte wie: „Wenn ihr eine Schlange seht, dann geht nach hinten und stellt euch lieber an, statt wegzurennen.“ Mein Highlight des Tages war jedoch, dass die schrullige Dame Kulis aus Stachelschwein-Stacheln verkauft hat, die ich zahlreich für meine Arbeitskolleginnen mitnahm. Am freien Tag in Swakopmund schließlich besuchte ich mit meiner Tochter das Nationale Maritimen Aquarium, vergleichbar mit SEA Life in Deutschland, das Swakopmunder Museum mit zahlreichen Stücken aus Flora, Fauna und Völkerkunde, und die Kristall-Galerie, ein privat geführtes geologisches Museum, das vor allem für den weltgrößten Quarzkristall bekannt ist. Auch wenn man im letztgenannten nicht fotografieren darf: Der Besuch lohnt sich!
Besonders stolz bin ich darauf, dass ich trotz Krebserkrankung die gesamte Reise durchgehalten habe und so viele tolle Erinnerungen mitnehmen konnte. Nach einem sagenhaften Sonnenaufgang an Düne 45 habe ich sogar die anstrengende Wanderung auf die riesige Düne „Big Daddy“ geschafft, den es innerhalb von zwei Stunden bestmöglich zu erklimmen galt. Ihr könnt das auch – egal ob krank oder gesund. Erfüllt euch euren Traum von Afrika.
Karen Paul, 58, aus Löhnberg
* Anmerkung der Redaktion: aus Sicherheitsgründen nutzen wir die beliebten Einbaumboote, die sogenannten Mokoros, nicht mehr. Stattdessen erkunden wir mit speziell ausgestatteten Safari-Motorbooten das Delta
** Anmerkung der Redaktion: Da die steigende Anzahl an Touristen die Einnahmen aus dem Fotogeschäft die der Landwirtschaft überstiegen, konzentrierten sich viele Dorfgemeinschaften auf den Tourismus. Das dies leider kein allzu authentisches Erlebnis mehr ist, finden wir auch. Dennoch denken wir, dass ein Besuch bei den Völkern der Himba Teil einer umfassenden Tour durch das Land sein sollte, um die Kultur der unterschiedlichen Volksgruppen näher kennenzulernen. Regelmäßig diskutieren wir dies auch mit unseren Reiseleitern, auch sie sind sich noch uneinig darüber ob es ein Teil der Reise bleiben sollte, oder nicht.