Ein ganz besonderer Friseur, Oldtimer als Blumenkübel und ein Mate-Tee-Knigge: Produktmanagerin Susanne Schulz entdeckte auf Tour in Argentinien und Uruguay spannende Welten – getrennt nur vom Rio de la Plata.
Miguel Angel Barnes hat gepflegte grau-weiße Haare mit perfektem Mittelscheitel und einen ebenso gepflegten Bart. Man könnte ihm glatt eine frühere Karriere als Fotomodel nachsagen. Doch professionell fotografiert wird er erst heute, im fortgeschrittenen Alter. Vor allem liegt das daran, dass er sich einen Traum verwirklicht hat. Einen Traum vom eigenen, ganz besonderen Friseurladen. Sein Geschäft in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires ist das einzige seiner Art in ganz Südamerika: Miguel Angel Barnes frisiert seine Kunden im Stile der italienischen und spanischen Einwanderer, die Argentinien um die Jahrhundertwende besiedelten.
Heute ist das eine echte Attraktion: Wie in einem lebenden Museum stammt die ganze Einrichtung des Friseurladens Barbería La Època vom Stuhl über den Spiegel bis zum Bartmesser aus der Einwandererzeit, sogar eine alte Telefonzelle hat dort ihren Platz gefunden. Auch Barnes selbst zeigt sich in der typischen Kleidung eines Friseurs der Jahrhundertwende: schwarzer Anzug, darüber eine edle Weste mit Brusttasche für Rasiermesser und Schere.
Abseits der Touristenpfade in Buenos Aires
Als WORLD INSIGHT-Produktmanagerin Susanne Schulz in einem der alten, bequem gepolsterten Friseurstühle aus dem Jahr 1899 Platz nahm, saß sie dort, wo bereits Diego Maradona saß, Fußballgott und Volksheld in Argentinien. Touristen verirren sich jedoch nur selten hierher, mitten in den Stadtteil Caballito. Vielmehr sind es die Einheimischen, die bei Barnes ein- und ausgehen. Für sie ist die Barbería La Època mehr als nur ein Friseurladen, sie ist zugleich auch Café und Kulturzentrum.
Jeden Samstag finden dort kulturelle Veranstaltungen statt, bei denen häufig bis zu 300 Leute zusammenkommen, Tango-Unterricht gibt es montags bis donnerstags und Freitag findet eine Salsa-Stunde statt. Selbst Englisch lernen könne man hier, erzählte Barnes Produktmanagerin Susanne Schulz. Beliebt sei der Laden auch bei Lehrern, die den Kindern dort ein lebhaftes Bild der Einwandererzeit vermitteln können.
Buenos Aires pulsiert, hat seinen eigenen Herzschlag, auch abseits des viel besuchten historischen Zentrums, abseits vom bunten La Boca und dem mondänen Recoleta, die jeder Besucher zweifelsohne gesehen haben muss. „Ein Blick hinter die Kulissen, hinein in die Seitengassen und in das Herz der unbekannteren Viertel von Buenos Aires lohnt sich immer“, weiß Susanne Schulz.
Zu Gast bei den Gauchos
Einer dieser pulsierenden Orte ist der im Südwesten gelegene Stadtteil Mataderos. Hier schlägt sonntags das Herz der Gauchos, die „Feria de Mataderos“. Früher haben die Viehzüchter auf dem Markt mehrere tausend Tiere versteigert, heute sind es immer noch ein paar Hundert. Der Name Mataderos leitet sich vom spanischen Wort für Schlachthäuser ab, denn davon gab es im Stadtteil eine Vielzahl.
Heute dominieren auf der Feria Stände mit Wurst, Käse, Brot, Honig und Mate. Selbstverständlich gibt es auch Utensilien zu kaufen, die ein echter Gaucho braucht: z.B. die traditionellen Gaucho-Messer, mit denen sich jedes Steak wie Butter zerteilen lässt. Doch auf dem Markt wird nicht nur verkauft, sondern auch getanzt. Gauchos und ihre Chinas in traditionellen Kleidern treffen sich hier regelmäßig, um gemeinsam Chacarera oder Zamba zu tanzen – ein lautes, lebendiges Spektakel.
Über den Tellerand nach Uruguay
In Buenos Aires bietet sich nicht nur ein Blick hinter die Kulissen an, es drängt sich geradezu ein Blick über die Grenze auf: Nur der sich zum Meer öffnende Rio de La Plata trennt Buenos Aires von Uruguay. Das von vielen Reisenden stark unterschätzte Land ist nur eine einstündige Fahrt mit dem Schnellboot entfernt. Wer sich den Blick über den Tellerrand traut, wird von Colonia del Sacramento belohnt. „Die historische Altstadt ist wunderbar erhalten und versetzt den Besucher in die Zeit zurück, in der sich die portugiesischen und spanischen Kolonialherren um die Perle am Rio de La Plata stritten“, schwärmt Susanne Schulz.
Ob als Blumenkübel umfunktioniert oder noch fahrend, Oldtimer prägen das Stadtbild wie sonst nur in Havanna. Pferdekutschen klappern gemächlich über das Kopfsteinpflaster, alte Laternen tauchen am Abend die Gassen in warmes Licht. Colonia del Sacramento bietet ein entspanntes Kontrastprogramm zum Trubel von Buenos Aires. Auch wenn die Schlagader Argentiniens weit weg zu sein scheint: Bei gutem Wetter und guter Sicht zeichnen sich die Hochhäuser von Buenos Aires am gegenüberliegenden Ufer des Rio de la Plata ab.
Montevideo: Buenos Aires entspannter Zwilling
Auch die Hauptstadt Uruguays ist in vielerlei Hinsicht entspannter als ihr argentinisches Pendant. Montevideo wirkt aufgeräumter, weniger eng und hektisch. Die Stadt ist unangefochtenes Zentrum des Landes, jeder zweite Uruguayer lebt hier. Fußballverrückt ist hier genauso wie in Buenos Aires nahezu jeder. Kein Wunder, setzt sich die höchste Fußballliga des Landes fast komplett aus Mannschaften aus Montevideo zusammen. Das Centenario-Stadion, Spielstätte des Endspiels der ersten Fußballweltmeisterschaft, gehört da natürlich zu den Pflichtbesuchen.
Doch nicht nur die Liebe zum Fußball verbindet Montevideo und Buenos Aires, auch ein ganz besonderes Bauwerk. Die Zwillingspaläste Palacio Barolo in Buenos Aires und Palacio Salvo in Montevideo ähneln sich zum einen in ihrem eklektischen Baustil. Zum anderen verbindet sie ein historischer Sichtkontakt: Als die Paläste noch als Leuchttürme fungierten, konnte man den Palacio Barolo in Buenos Aires von Montevideo aus sehen. Heute ist das leider nicht mehr möglich, zu stark gewachsen sind beide Städte – in Höhe und Breite.
Mate-Trinken mit Reiseleiterin Christine Dulin
Noch immer eine echte Institution in Montevideo ist der Mercado del Puerto. Susanne Schulz trifft dort WORLD INSIGHT-Reiseleiterin Christine Dulin. Der berühmte Markt im Hafen Montevideos ist für Susanne ein Fest für alle Sinne: „Es liegt Geruch von gegrilltem Fleisch, Meeresfrüchten und Pasta in der Luft, lokale Künstler und Straßenmusiker buhlen um Aufmerksamkeit.“ Christine vergleicht die alte Markthalle voller Grillrestaurants gar mit einer Pilgerstätte: „Der Mercado del Puerto ist das Grillfleisch-Mekka von Montevideo!“
Mit im Gepäck hat die Reiseleiterin eine Thermoskanne mit heißem Wasser für den in Argentinien und Uruguay so beliebten Mate-Tee, der hier nicht wie in Deutschland kalt aus der Flasche getrunken wird, sondern mit Blättern der Yerba Mate-Pflanze in einem Kürbis-Gefäß aufgebrüht wird.
„Ganz wichtig ist die Bombilla, eine Art Metallstrohhalm. Damit wird verhindert, dass die Blätter der Mate-Pflanze nicht im Mund landen“, sagt Christine und erklärt gleich auch die richtige Anwendung: „Es wird immer nur ein bisschen Wasser in den Mate gefüllt. Wer einen Mate gereicht bekommt, sollte ihn immer austrinken. Das sagt die Etikette. Manchmal ist es auch angebracht ein schlürfendes Geräusch zu machen, um zu zeigen, dass der Mate wirklich ausgetrunken ist.“
Im Hafengebiet Montevideos gibt es außerdem noch eine ganz andere Spezialität: Der Medio y Medio, auf Deutsch übersetzt „halb, halb“, eine Mischung aus Weißwein und Sekt. Was liegt näher als zum Abschied mit einem Gläschen dieser lokalen Spezialität anzustoßen? Natürlich hat Christine auch dafür die richtige Wortwahl in petto: „Hier in Uruguay sagt man entweder chin chin oder salut“.