Unsere Reisende Petra führte es mehr oder weniger zufällig im September auf die Liparischen Inseln. Zurück kommt sie mit tiefer Begeisterung und einer neuen Liebe für diese Region Italiens!
Zugegeben: Von den Liparischen Inseln wusste ich bisher noch nicht wirklich viel. Und als Reiseziel waren sie auch bislang noch nicht auf meiner Wunschliste. Stromboli war mir zwar ein Begriff, dann hörte es aber auch schon auf. Dass ich mit dieser Wissenslücke nicht alleine war, konnte ich den Reaktionen der meisten Menschen entnehmen, denen ich mein Urlaubsziel nannte.
In Covid-19-Zeiten einen interessanten Reiseort ausfindig zu machen, der nicht zu einem vom RKI ausgewiesenen Risikogebiet zählt, war schon eine kleine Herausforderung. Eine Reise zu finden, die dann nicht nur angeboten, sondern auch tatsächlich vom Reiseveranstalter durchgeführt wurde, war noch schwieriger. Und so stieß ich schließlich auf dieses nördlich von Sizilien gelegene vulkanische Inselarchipel.
Gebeutelt durch die bestehenden Ängste und Verunsicherungen der Menschen durch das Covid-19-Virus und die dadurch häufig eingeschränkte Reiselust geschweige denn der Möglichkeiten sie auszuleben, überlegten sich offensichtlich auch die Verantwortlichen von WORLD INSIGHT neue Reiseziele, die trotz des sich ständig ändernden Empfehlungs- und Vorschriftendschungels des RKIs und der Bundesregierung realisierbar waren. Bis zuletzt bangte ich, ob ich auch tatsächlich würde starten können oder das Ausrufen eines neuen Risikogebietes mir einen Strich durch die Reisepläne machen würde. Wie mir ging es auch meinen zwölf ausgesprochen netten Mitreisenden. Und: Hurra! – Ende September ging es dann los Richtung Süden!
Nach einem kurzen Zwischenstopp in Rom flogen wir weiter nach Catania (Sizilien), wo wir schon von unserem Reiseleiter Heiko am Flughafen herzlich empfangen wurden. Nach einem abendlichen Bummel durch die historische Hafenstadt und einem leckeren Abendessen fuhren wir am nächsten Tag ausgeruht mit einem kleinen Reisebus Richtung Norden nach Milazzo. Die Tage zuvor war es sehr stürmisch, sodass wir Glück hatten: Mit dem ersten Luftkissenboot, das nach dem hohen Wellengang wieder den Seeweg im Tyrrhenischen Meer von Sizilien zur Inselgruppe wagte, konnte unsere Reise planmäßig starten und wir setzten zur Insel Lipari mit dem reizenden Hauptort gleichen Namens über.
Durch wetter- und situationsbedingte Umstände können sich spontan Änderungen zum ursprünglich geplanten Reiseverlauf ergeben. Heiko erwies sich gerade in dieser Hinsicht als ein sehr umsichtiger Reisebegleiter – stets mit Blick auf die aktuellen Wettervorhersagen und bei Bedarf sinnvollen Programmanpassungen sowie kreativen Ideen, sodass wir die Schönheiten der sechs von insgesamt sieben das Archipel umfassenden Inseln mit den jeweils sehr unterschiedlichen Charakteren in vollen Zügen genießen konnten. Vulcano und Stromboli wirken eher schroff und bizarr. Panarea wirkt auf den ersten Eindruck luxuriös, denn hier haben viele Reiche ein Domizil erworben. Auf ihrer Halbinsel Capo Milazzese genossen wir herrliche Ausblicke und erkundeten archäologische Funde aus der Bronzezeit. Als die grüne und fruchtbare Insel könnte Salina bezeichnet werden: Im Örtchen Pollara werden Kapern kultiviert und in liebevoller Handarbeit in vielfältiger Art verfeinert und vermarktet. Davon haben wir uns eindrücklich überzeugen können. Auch viele der für diese Region typischen Malvasia-Weinberge sind hier zu finden, von denen der honigfarbene Dessertwein stammt. Am quirligsten und lebhaftesten empfand ich die Hauptinsel Lipari, während Filicudi einen verträumten Eindruck auf mich machte.
Allen Inseln war eine wohltuende Gemächlichkeit gemeinsam, was sehr schnell zu einer herrlichen Entschleunigung führte. Ich fühlte mich geradezu eingeladen, mich treiben zu lassen, durch die malerischen Gassen der kleinen Orte zu schlendern sowie in unterschiedlichste Landschaften einzutauchen und konnte mich gar nicht sattsehen an den vielfältigen Details, die sich mir jeden Tag immer wieder aufs Neue boten und die Heiko uns stets gut gelaunt näherbrachte. Ich spürte, wie sehr er sich selbst zu den Inseln hingezogen fühlte, und diese Begeisterung konnte er auch sofort in mir wecken.
Am vierten Tag der Reise brachte uns ein gemietetes Privatboot zur Nachbarinsel Vulcano, wo wir eine sehr eindrückliche Wanderung zum Wahrzeichen der Insel unternahmen: zum 391 Meter hohen Gran Cratere, dem Hausvulkan von Porto di Levante, wo unser Schiff anlegte. Schon von Weitem konnten wir den Rauch am Kraterrand ausmachen und je näher wir uns auf Vulcano zubewegten, desto häufiger trug uns der Wind schwefelhaltige, nach faulen Eiern riechende Gerüche entgegen. Die vulkanische Urgewalt war uns dadurch allgegenwärtig. Der Inselname ist übrigens namensgebend für das heutige Wort „Vulkan“.
Der breite, in leichten Kurven angelegte, staubige Weg zum Kraterrand stellte keine große Herausforderung dar. Da sich hier nur wenige Pflanzen wie beispielsweise Ginsterbüsche ansiedeln und diese fast ausschließlich im unteren Bereich des Wanderweges anzutreffen sind, luden auf dem gesamten Weg atemberaubende Ausblicke immer wieder zum Anhalten, Staunen und Fotografieren ein. Unterwegs fühlte ich mich teilweise wie auf einer unwirklichen Mondexpedition – die Umgebung war steinig, grau, staubig und im Kontrast dazu war der weite Blick auf das farbige Meer und die Nachbarinseln faszinierend.
Am Rand des Kraters, am Höhepunkt unserer Wanderung, strahlte das leuchtende Gelb der giftigen, dampfenden Fumarole im Sonnenlicht besonders intensiv. Uns bot sich an der Spitze des Gran Cratere ein beeindruckendes Panorama auf alle Äolischen Nachbarinseln. Wie eine Perlenkette lagen die Inseln im Sonnenlicht vor mir ausgebreitet, die ich in den nächsten beiden Wochen erkunden durfte – von Filicudi im Westen bis Stromboli im Osten. Fast zum Greifen nah!
Nach der Wanderung stürzten wir uns in die Fluten, genossen das herrlich warme Baden und Schwimmen im Meer. Es hatte fast schon etwas von einem Sprudelbad, denn überall trieben vom Grund kleine Wasserblasen nach oben und kitzelten uns.
Ein weiterer Höhepunkt der Reise war für mich der Aufenthalt auf Stromboli, der nördlichsten und schroffsten Insel. Zwar konnten wir aufgrund der Vorgaben vor Ort nicht direkt zum Kraterrand wandern, doch schon auf halber Strecke bestaunten wir am Rand der sogenannten Lavarutsche, wo die Lava und Gesteinsbrocken ihren Weg ins Meer finden, die regelmäßigen Eruptionen: In etwa viertelstündlichem Abstand hörten wir ein Fauchen und Grummeln. Bei Tageslicht zeugten dunkle Staubwolken von den regelmäßigen Ausbrüchen, nachts eindrucksvolle Lava-Fontänen. Ein besonderer Ort, von dem aus wir den heißen Funkenregen wie in einem Kino bei leckerer Pizza und Hauswein bestaunen konnten, war die Terrasse der Pizzeria „Osservatorio“. Einerseits spürte ich in mir die Anspannung, denn die immense Urgewalt vulkanischer Tätigkeit war hier allgegenwärtig und löste trotz Urlaubsstimmung in mir etwas Unruhe aus, gleichzeitig war es faszinierend, dem Spektakel in so entspannter Atmosphäre zu lauschen. Jede Fontäne löste auf der Terrasse bewundernde „Ahs“ und „Ohs“ aus.
Die wunderschönen Wanderungen durch ursprüngliche Landschaften auf den Inseln Lipari, Salina, Panarea und Filicudi haben die Eigentümlichkeiten einer jeden Insel unterstrichen und mir neben der Schroffheit auch das Liebliche, Fruchtbare und die Lebendigkeit des Archipels schätzen gelehrt. Die Kinofilme „Stromboli“ und „Der Postmann“, die ich mir angeschaut hatte und die auf den Inseln gedreht wurden, zeugen von dem beschwerlichen Leben der Einheimischen, die auch heute noch zum Teil ihren Lebensunterhalt vom Fischfang, Kapernexport und Weinanbau bestreiten. Selbst wenn auch der Tourismus inzwischen eine bedeutsame wirtschaftliche Rolle eingenommen hat, so sind die Inseln glücklicherweise von touristischen Bausünden verschont geblieben und konnten dadurch ihren Charme bewahren. Sie wurden 2000 zu Recht von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt.
Am beeindruckendsten der Reise war für mich die Vielfalt an Unternehmungsmöglichkeiten, die diese kleine Inselgruppe zu bieten hat. Natur pur zum Wandern und Entdecken, kleine Strände zum Entspannen, bedeutsame historische Orte und archäologische Funde, gemütliche Dörfer mit romantischen Ortskernen und urtümlichen Fischerhäfen und nicht zuletzt viele freundliche Einheimische, mit denen eine Kontaktaufnahme problemlos auch ohne Sprachkenntnisse möglich ist.
Wenn es etwas gibt, wofür ich der aktuell schwierigen Zeit dankbar bin, dann dafür: Ich durfte eine Region Italiens entdecken, genießen und lieben lernen, die ich vermutlich übersehen hätte. Und ich durfte nette Menschen und einen kompetenten Reiseleiter kennenlernen, die ebenfalls einen großen Teil zu einem unvergesslichen Urlaub auf den Liparischen Inseln beigetragen haben. Auch dafür bin ich dankbar. Wohltuend war für mich daneben, dass unsere Aktivitäten nicht akribisch festgelegt waren. Wir sind nur ein winziger Bruchteil einer großartigen Natur und dies wurde mir dadurch bewusst, dass die Natur dann auch ab und zu Einfluss auf unseren Reiseablauf hatte. Dies empfand ich in dieser urtümlichen Landschaft nur allzu stimmig.
(Petra Karg)